Hammelburger-Album

Landwirtschaft

Heuernte  (Archiv Hack)  

Der Hammelburger Viehmarkt in Quellen und Erinnerungen
Von Christine Schormayer
 
Name und Nostalgie

„Am Viehmarkt" - diese Straßenbezeich­nung erinnert in vielen Städten daran, dass dort einmal regelmäßig mit Rindern, Pferden, Schweinen, Schafen oder Ziegen gehandelt wurde.
Auch in Hammelburg hatte der gemischte Viehmarkt eine Tradition, er spielte einmal eine wichtige Rolle für die Erzeuger und Händler in Hammelburg und dem Umland. Die alten Viehmärkte gibt es schon seit eini­gen Jahrzehnten nicht mehr. Die Schlacht­- und Nutzvieherzeugung hatte sich nach dem 2. Weltkrieg stark verändert. Die Großpro­duktion wurde attraktiv, viele kleinere Betrie­be gaben die Viehhaltung auf. Auch im Vieh­handel veränderten sich die Strukturen.
In Bayern endeten die meisten Viehmärkte in den 1970er bis 1980er Jahren. Einer der letzten Ferkelmärkte in Unterfranken bestand in Arnstein (Landkreis Main-Spessart). Dort kamen nach einem Zeitungsbericht noch 1997 Händler und Landwirte unter freiem Himmel zusammen.
In Hammelburg wurden die Viehmärkte 1997 und 1998 als „Nostalgiemärkte" noch einmal lebendig. Anlässlich des „Faaderweis­sedooch" (Federweißen-Tag) im Oktober gab es beim „Gäuls- und Säumarkt" wieder Zu­trieb von Pferden, Jungrindern, Jungbullen, Schweinen, Schafen und anderen Tieren. Weitere Termine folgten bis jetzt nicht.
Wie die Viehmärkte in Hammelburg abge­laufen sind, als sie noch Teil des Alltags­lebens der einheimischen Bevölkerung wa­ren, können wir nur noch aus schriftlichen Quellen und Erinnerungen von Zeitzeugen rekonstruieren.

 
Ein Blick in die Archivalien

Nachdem der große Stadtbrand 1854 viele Akten der Stadt vernichtete, haben wir kaum Nachrichten über die Viehmärkte vor dieser Zeit. Das Marktrecht für die Stadt wird erst­mals 1303 aktenkundig.
 
Einen jüngeren Anhaltspunkt haben wir aus dem Jahr 1853. Damals beschloss der Ham­melburger Magistrat, ab Januar 1854 alle 14 Tage Rind- und Schweinemärkte abzuhalten, und zwar donnerstags, in Abstimmung mit dem Karlstadter Viehmarkt, der laut Proto­koll im gleichen Rhythmus dienstags abge­halten wurde.
 
Einen genauen Ort für die Marktgeschäfte nennt diese Niederschrift noch nicht. Man könnte annehmen, dass sich jeglicher Handel auf dem „Marktplatz" vor dem Rathaus ab­spielte und dass das allgemein bekannt war. Der heutige „Viehmarkt" hieß 1854 noch kei­neswegs so, denn auf seinem Grund stand noch eine Kirche, die so genannte „Marien­kapelle" oder „Neue Kirche". Dieses Gotteshaus war aber schon zur Ruine geworden, bevor der große Stadtbrand im April 1854 Hammelburg verwüstete und soll 1859 endgültig abgetragen worden sein.
Spätestens seit diesem Zeitpunkt fanden also die Viehmärkte höchstwahrscheinlich auf diesem Platz in der engen Altstadt Hammelburgs statt - bis 1961, als der Handel an den Stadtrand verlegt wurde, auf den „Bleichrasen" an der Saalebrücke.
 
Sicher wurden in Hammelburg nicht immer nur Rinder und Schweine verkauft. Die Vieh­marktordnung von 1912 sagt dazu: „... ein Markt zum An- und Verkauf von Mastochsen, Zugochsen, Gangvieh, Stieren, Rindern, Kü­hen, Kälbern, Schweinen, Ziegen und Scha­fen, sowie von Pferden ...", also ausdrücklich ein gemischter Viehmarkt. Spezialisierte Märkte mit großem Umsatz (z. B. nur für Rinder, Schweine oder Schafe) hatten sich in Unterfranken im 19. Jahrhundert vor allem in Schweinfurt und Würzburg gebildet.
 
Leider verrät uns die Viehmarkt-Ordnung nur, wie sich die Gesetzgeber einen geregel­ten Marktbetrieb vorstellten. Wie es tatsäch­lich aussah, kann auch sie nicht verbürgen. Dennoch lohnt es sich, einmal zu betrachten, was die Viehmarkt-Ordnung für die Stadt Hammelburg aus dem Jahr 1912 für wichtig hält: Damals war alle 14 Tage mittwochs ein Viehmarkt anberaumt. Christliche und israe­litische Feiertage sollten beachtet und der Viehmarkt nötigenfalls auf den folgenden Werktag verlegt werden. Bis zur Mittagszeit sollten die Geschäfte beendet sein, verfügte die Marktordnung. Im Sommer durfte der Markt schon um 7.00 Uhr beginnen, im Win­ter erst um 8.00 Uhr. Natürlich musste sich ein Amtstierarzt das Vieh anschauen, vor allem im Hinblick auf die Maul- und Klauenseuche, die auch damals schon gefürchtet war. Bevor der Veterinär beim Verkäufer erschienen war, durfte laut Marktordnung eigentlich nicht gehandelt werden. Auch die Schweinekörbe sollten bis dahin geschlossen bleiben. Um die Übersicht zu behalten, durfte der Amtstierarzt nach § 2 der Viehmarktordnung sogar den Viehmarkt-Platz an der nördlichen und west­lichen Seite „durch eine Leine" absperren.


Vermutlich weil der Viehmarkt-Platz an sich nicht besonders groß ist, bestimmte der Ma­gistrat in seiner Viehmarkt-Ordnung offiziell, dass die Marktbeschicker und -besucher „kei­ne Verkehrsstörung" verursachen dürften. Die mitgebrachten Wägen durften nicht auf dem Viehmarkt-Platz selbst parken und nach Beginn des Marktes war es laut Marktord­nung allem was Räder hatte verboten, über den Viehmarktplatz zu fahren. Vor allem Rin­der und Schafe kamen damals wahrscheinlich noch zu Fuß zum Markt. „Das ... Vieh ist sofort nach Ankunft in hiesiger Stadt und zwar ohne Aufenthalt auf den Marktplatz zu treiben und ist der Zutrieb zu demselben an anderen Zugängen als an den dazu bestimm­ten verboten."

Dann kamen laut Marktordnung gleich die Gebühren auf die Marktbeschicker zu: für Rind und Pferd forderte die Stadt damals 10 Pf. pro Stück, für einen Korb Schweine 20 Pf. und 5 Pf. für ein Kalb, Schaf oder Ziege. Das Vieh der Einwohner Hammelburgs sollte allerdings von Marktgebühren befreit sein. Wenn das Handeln losging, waren sehr wahr­scheinlich auch bald die „Schmuser" da. Die Stadtverwaltung sah sie offensichtlich nicht gerne (das war auch in anderen Städten so). Die Hammelburger Viehmarktordnung nennt sie synonym „Zwischenhändler" und widmet ihnen eigens zwei Paragraphen. Man unter­sagt ihnen die Einmischung in die Marktge­schäfte und droht mit Verweisung und Strafe. „Schmuser" waren meist Einheimische, die alle Landwirte kannten. Sie wussten genau, was jemand gerade brauchte und wie das Angebot beschaffen war. Sie unterhielten sich mit diesem und jenem und redeten einem potentiellen Käufer fleißig zu. Sie packten auch mit an beim Ausladen, Aufstellen der Körbe etc. Ihr Verdienst: eine Provision oder eine bezahlte Zeche vom Händler. „Schmu­ser" gab es bis zum Ende der Viehmärkte.
Noch in den 1920er und 1930er Jahren hatte der Hammelburger Viehmarkt einen guten Namen. 1927 berichtet das Bezirksamt Hammelburg, dass der Hammelburger Vieh­markt „im Handel mit Schweinen einen leb­haften Verkehr aufzuweisen hat". In den sta­tistischen Meldungen der Stadt Hammelburg lesen wir, dass im Jahr 1939 47 Märkte abge­halten wurden. „Aufgetrieben wurden 280 Schweine und 4980 Ferkel, sonstige Tiere wurden nicht aufgetrieben. Die aufgetriebe­nen Tiere wurden restlos verkauft." Nach dem 2. Weltkrieg veränderte sich die Situation. Der Regierungsveterinärrat des Kreises Ham­melburg schreibt am 7. 3. 1951: „Vor dem Krieg war im Gegensatz zu heute Hammel­burg Mittelpunkt eines lebhaften Viehhan­dels." Die ersten Viehmarkt-Termine in Ham­melburg nach dem Krieg waren nach dem Ende der staatlichen Bewirtschaftung für Fleisch für 1949 geplant. Das Auftreten der Maul- und Klauenseuche behinderte zu­nächst einmal die Marktgeschäfte, denn bei MKS-Ausbrüchen wurde in den betroffenen Gebieten der Viehhandel gesperrt.

  
 
Was Bauern und Händler noch wissen

Landwirte erinnern sich, dass sie anfangs noch mit dem Gespann zum Viehmarkt gefahren sind, dann mit dem Schlepper. Ter­min war nach dem Krieg wieder der Don­nerstag, alle 14 Tage. Meistens war es nur ein „Säumart" (Schweinemarkt), wie die Ham­melburger sagen, obwohl der Markt für Rin­der und Schweine angekündigt war. Angelie­fert wurden die Ferkel und Schweine von Händlern wie von Bauern, dennoch gab es bei den einzelnen Märkten feine Unterschiede, erinnert sich ein Viehhändler.
In manchen Regionen war die Produktion stärker, dort war der Viehmarkt für die Händ­ler eher ein Einkaufsmarkt (z. B. Haßfurt). In anderen Gegenden verkauften die Händler überwiegend, so waren Märkte wie Hammel­burg oder Karlstadt für die Händler eher Ver­kaufsmärkte, hier kauften die Landwirte sehr viele Ferkel zum Mästen vom Händler.
Auch schon in den 1950er Jahren kam nach Zeitzeugen-Erinnerungen nicht mehr viel Rindvieh auf den Hammelburger Viehmarkt. Die offiziellen Marktankündigungen sprachen bis 1961 von „Großvieh- und Schweinemärk­ten", erst ab 1962 nur von „Schweinemarkt".

 
„Zu Beginn eines gewöhnlichen Markttags sind die Käufer herumgelaufen und die mei­sten haben erst einmal gelauscht", berichtet ein Landwirt. Die Händler waren mit Pferde­gespannen gekommen und Wägen mit Kör­ben, die Bauern meist mit eingespanntem Rindvieh, zumindest noch zu Beginn der 1950er Jahre. Rund um den Viehmarkt wur­den die Transportmittel abgestellt. In der „schlechten Zeit" kam auch schon einmal einer mit dem Schubkarren an.
Die Schweinekörbe waren aus Weide geflochten, hatten einen Deckel und waren mit Stroh ausgelegt, später gab es auch Holz­kisten. „Wenn der Markt begann, waren die Körbe offen, und die Schweine wurden rich­tig hochgebettet" , erinnert sich ein Landwirt. Manche Besitzer sollen ein Ferkel für den Interessenten auch mit gespielter Anstren­gung hochgehoben und gesagt haben, „schau her, ich kann das nicht mal mehr heben", um zu zeigen, wie schwer das Tier war.
 
Dann wurde gefeilscht, der Kunde hat ge­boten, der Händler verlangt. Der Kauf endete mit einem Handschlag „dass es geklatscht hat". Die Tiere wurden dann meist vom Käu­fer mit einem Namenskürzel gekennzeichnet.
 
Nach dem Markt ging es regelmäßig ins Wirtshaus. Dort konnte man auch sehen, wel­cher Schmuser für welchen Händler gearbei­tet hat, denn der Händler zahlte ihm oft die Zeche. Die Viehmarkt-Besucher verteilten sich u. a. im „Emmert" (Gasthaus Zum Engel, Marktplatz 12), im „Hirschen" (Kirchgasse 2), in der „Hannawackers Wirtschaft" (Zum Gol­denen Schwan, Bahnhofstr. 17), beim „unte­ren Binmöller" (Gasthaus Zur Sonne, Weiher­torstr. 3) und im „Bayerischen Hof' (Bahn­hofstr. 51). Der „Bayerische Hof" war „ge­stopft voll" an Markttagen, denn er war für gutes Essen bekannt. Die Tochter des dama­ligen Besitzers soll den Sohn eines Viehhänd­lers aus Oberleichtersbach geheiratet haben.
 
Auch einige Namen von Viehhändlern, die in den 1950er Jahren auf dem Hammelburger Markt erschienen, sind den Landwirten noch gut im Gedächtnis: aus Westheim (bei Ham­melburg) kam Josef Schmitt, genannt das „Waaster Schmittle" (es gab noch einen Vieh­händler mit diesem Nachnamen: Wilhelm Schmitt aus Sulzthal). Aus Machtilshausen war Heinrich Koch, ebenfalls aus Machtils­hausen Franz Mützel. Aus Obereschenbach kam Eugen Reuter, aus Oberleichtersbach Josef Heinz. Auch die Namen Keupp aus Obereschenbach und Troll und Heid aus Fuchsstadt (bei Hammelburg) werden in die­sem Zusammenhang genannt. Die Hammel­burger Viehhändler waren (laut Einwohner­Adressbuch 1956): Philipp Fleckenstein, Ge­org Gößmann und Albert Köberlein. Von Großferkelhändlern, die als wohlhabend gal­ten, sprachen die Bauern scherzhaft als „Baron". Die Unterlagen im Stadtarchiv Hammelburg zeigen, dass auch Viehhändler aus anderen Landkreisen und Bezirken am Hammelburger Markt interessiert waren (schriftliche Anfragen nach Marktterminen aus dem Jahr 1954 und 1955).


1961 verlegte man den Hammelburger Viehmarkt auf den Bleichrasen an der Saale­brücke. In den 1970er Jahren wurden schon viele Viehmärkte in Bayern eingestellt. Das Geschäft fand nun überwiegend auf dem Hof statt. Auch in Hammelburg wurde der Auf­trieb auf den Viehmärkten immer schwächer und der Kreis-Veterinär meldet 1972, dass „oft weder Schweinehändler noch ein Käufer (!) erschienen war". Die eingenommenen Ge­bühren deckten die Auslagen nicht mehr, des­halb hatte die Stadt schon im Jahr 1970 die Marktgebühren von 0,30 DM auf 0,50 DM pro Ferkel erhöht. Ab 1973 sollten statt bisher 12 nur noch 4 Viehmärkte im Jahr stattfinden. Die letzte offizielle Terminmeldung für den Hammelburger Viehmarkt liegt aus dem Jahr 1982 vor, aber man darf davon ausgehen, dass die meisten Markttermine seit Mitte der 1970er Jahre nicht mehr wahrgenommen wurden.
 
 
Besonderheit Schäfertreff

An eine Besonderheit des Hammelburger Viehmarkts nach dem Zweiten Weltkrieg können sich damalige Besucher noch gut erinnern: die Schäfer aus Hammelburg und Umgebung waren auf fast jedem Viehmarkt zahlreich vertreten. Und das, obwohl auf so gut wie keinem Markt ein Schaf aufgetrieben wurde. Es wird berichtet, dass die Schäfer immer zusammen standen und sich unterhiel­ten. Man erkannte sie schon von weitem an ihrer typischen Kleidung. Sie besuchten den Markt nicht, um zu kaufen oder zu verkaufen, sondern um Informationen auszutauschen und um die Kollegen zu treffen.
Schafe kamen in Hammelburg normaler­weise nicht zum Auftrieb, die Schäfer be­suchten damals die Schafmärkte in Schwein­furt und Ochsenfurt. Viele Schäfer kamen mit dem Motorrad zum Hammelburger Vieh­markt. Stammlokal der Schäfer war der „Em­mert" (Gasthaus Zum Engel, Marktplatz 12). Auf den Hammelburger Viehmärkten traf man z. B. die Schäfer Karl Brandenstein aus Obereschenbach, Hermann Reuter aus Ober­eschenbach, Michael Schmittner aus Fuchs­stadt, Josef Ohmert aus Pfaffenhausen, Boni­faz Scherpf aus Hammelburg, Ebert aus Ober­erthal, Otto Koch aus Untererthal, Kilian Neder aus Thulba, Fritz Schmitt aus Höllrich.
Diese Treffen nutzten auch die „Übungs­platz-Schäfer", die ihre Herden im Sommer auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg weideten, aber nicht aus der Hammelburger Umgebung stammten. Ludwig Weckbach aus Wipfeld z. B. besuchte nach eigenen Angaben oft den Hammelburger Viehmarkt - um sich mit den Kollegen auszutauschen.

Literatur und Quellen:

Springer, Leo: Hammelburger Straßenbezeichnun­gen 1967. Als Manuskript vervielfältigt. 
                       Ohne Ortsangabe 1967
Stöckner, Karl: Hammelburger Straßennamen nach dem Stand vom 1. Oktober 1988.
                        Ohne Orts­angabe, ohne Jahresangabe
Ullrich, Gunther: Hammelburg. Bilder aus der Ge­schichte einer uralten Frankensiedlung
                        2. Auf­lage Hammelburg 1975
„Martins-Markt 1974: Eine Bereicherung für die Stadt Hammelburg, die Geschäftswelt und den Fremdenverkehr" Saale-Zeitung 26. 9. 1974
„Beim Schweinemarkt die Töchter mitverkuppelt" Main-Post 17. 7. 1997
„Pferdemetzger war ausverkauft" Main-Post 21. 10. 1997
„Pferdemarkt und Schmankerl-Tour" Saale-Zei­tung 2. 10. 1998
Einwohner-Adreßbuch für den Landkreis Ham­melburg/Unterfranken 1956 Adreßbuch für die Stadt und den Landkreis Ham­
melburg 1961/62
Adreßbuch für Stadt und Landkreis Hammelburg
1966
Stadtarchiv Hammelburg, Akten des Magistrats / des Stadtrats der Stadt Hammelburg:
565/4 Überwachung der Viehmärkte 1941-1943 842/2 Die Jahrmärkte in Hammelburg 1854 842/2 Viehmärkte, Tierärztliche Aufsicht 1884 842/2 Viehmärkte in Hammelburg 1916-1939 842/2 Viehmärkte 1933-1951 842/5 Marktordnung
842/6 Marktveranstaltungen 1939-1951 842/6 Marktverzeichnisse
Stadt Hammelburg, Amt für Öffentliche Ordnung: Akte „Märkte bis 1980"

 
Befragungen:

Viehhändler Hubert Geis, Wollbach 3. 12. 2002
Viehhändler Herbert Koch, Machtilshausen 27. 11. 2002
Landwirt Josef Schum, Feuerthal 5. 2. 2002
Landwirt Martin Vogler, Seeshof 25. 3. 2002
Schäfer Ludwig Weckbach, Röthlein (ehemals Wipfeld) 6. 11. 2002
 
(Der Artikel wurde in der Zeitschrift Frankenland, Heft 5, Oktober 2003, 55. Jg. S. 354 - 359 veröffentlicht. Wir danken für die Abdruckgenehmigung!)
  
 
 

 

Handel unter freiem Himmel
Die Stadt Hammelburg und ihre Märkte vom Mittelalter bis heute


altAuch im Jahr 2009 hat Hammelburg wieder ein reichhaltiges Marktverzeichnis. Damit wird eine bewährte Tradition fortgesetzt, die bis ins Mittelalter zurückreicht, denn der Handel unter freiem Himmel hat nichts von seiner Anziehungskraft verloren.

Zwar gibt es schon lange keinen Zutrieb von Rindern, Pferden oder Schweinen mehr und längst ist vergessen, was eine Getreideschranne war. Dafür haben sich neue Formen des Marktlebens gebildet wie die beliebten Floh- und Antikmärkte, die Modellbahnbörsen, Handwerkermärkte und Mineralienbörsen. Bauernmärkte bieten einmal im Monat frische Lebensmittel ausschließlich von Erzeugern aus der Region. Bei den großen Jahrmärkten im Frühjahr und Herbst verbinden sich heute die Aktionen der städtischen Geschäftswelt und das Sortiment der fahrenden Händler zu einem besonderen Erlebnis. Auch in den Zeiten von Internet-Auktionshäusern und Versandhandel per Computer ist das Flair eines Marktes unter freiem Himmel unvergleichlich geblieben.

Marktrecht als Privileg

Das Recht, einen Markt abzuhalten, war ein Privileg, das ursprünglich nur Kaiser oder Könige verleihen konnten. Die Marktgerechtigkeit war begehrt, denn sie war entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung eines Ortes. Kaiser Albrecht I. verlieh Hammelburg 1303 die Stadtrechte, die neben anderen Freiheiten auch das Marktrecht aufführten. Die Verleihung des Marktrechts gewährte auch den Königsfrieden.
Der Markt selbst und seine Händler standen unter seinem Schutz. Wer den Frieden brach, wurde schwer bestraft. Der Marktplatz war im Mittelalter nicht nur der Ort für die Handelsgeschäfte, sondern auch das politische und wirtschaftliche Zentrum der Stadt. Auf ihm versammelten sich die Bürger und hier wurden Gerichtsurteile verkündet. In seiner Nähe standen die Kirche und das Rathaus mit den städtischen Markthallen. Auch in Hammelburg gab es im Mittelalter für die Bäcker und Metzger Verkaufsräume im Erdgeschoss des Rathauses. Viele Gaststätten rund um den Platz und ein plätschernder Marktbrunnen sorgten auch schon in früheren Zeiten für eine einladende Atmosphäre.

altViele Selbstversorger

Die Bevölkerung von kleinen Ackerbürger- und Winzerstädten wie Hammelburg lebte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts mit einem hohen Selbstversorgungsgrad an Lebensmitteln. Das Essen kam zum großen Teil aus dem eigenen Krautgarten, Acker und Stall. Den Wochenmarkt beschickten die Erzeuger aus Stadt und Umland, in Hammelburg hatte sich auch eine kleine Erwerbsgärtnerei herausgebildet, die den Speiseplan der Bürger vor allem mit Feingemüse bereicherte. Große Obstgärten rund um die Stadt lieferten Früchte für Tafel und Vorratshaltung.
Das Sortiment der „Viktualienmärkte" (Viktualien = Lebensmittel), die in Hammelburg einst jeden Freitag stattfanden, bot neben Obst und Gemüse wahrscheinlich auch Erzeugnisse tierischen Ursprungs wie Eier, Butter, Käse und anderes. Der Stadtmagistrat übernahm im Jahr 1859 die Marktordnung der Stadt Würzburg, die in eigenen Paragraphen ausdrücklich Jedermann zum Viktualienhandel ermutigt. Die Bestimmungen der Marktordnung enthalten außerdem genaue Vorschriften zur Lebensmittelhygiene, zum Verbraucherschutz, zu kaufmännischen Regeln und zur öffentlichen Ordnung.

Jahrmärkte als Festtage

Noch nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Hammelburger Gärtner regelmäßig mit ihren großen Holzwagen auf den Marktplatz. Mit der Ausbreitung großer Lebensmittelmärkte nach den 1950er Jahren wurde die Konkurrenz zu stark - für die regionalen Erzeuger lohnte sich ein wöchentlicher Marktstand in einer kleinen Stadt nicht mehr.
Herzstück des alljährlichen Marktreigens waren vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert noch die Jahrmärkte und die Viehmärkte. Nach einer Aufstellung aus dem Jahr 1853 wurden damals sieben Jahrmärkte abgehalten: der Josephi-Markt im März, der Mai-Markt, der Kiliani-Markt im Juli, der Bartholomäi-Markt im August, der Michaeli-Markt im
September oder Oktober, der Martini-Markt im November und ein „Christ-Markt" im Dezember.
Nach einigen Jahrzehnten der Unterbrechung wurde 1974 wieder der Michaelsmarkt eingeführt, 1976 der Frühjahrsmarkt und 1991 der Weihnachtsmarkt. Schon im Mittelalter traten auf den städtisch Märkten nicht nur einheimische Handwerker auf, sondern auch fahrende Händler, denn oft konnte der Bedarf an Gebrauchsgütern durch das ansässige Gewerbe nicht gedeckt werden.
Auf den Jahrmärkten deckte man sich mit allem ein, was man in Haus und Hof brauchte. Die „Krämer", die vom Hosengummi bis zum Kehrbesen alles in ihrem Marktstand mitführen, üben heute noch eine große Faszination auf die Marktbesucher aus. Auch heute noch findet man bei ihnen Dinge, die man schon lange gesucht hat.

Gefragte Viehmärkte
Jahrmärkte waren Festtage. Vor allem für die Bevölkerung der Umgebung boten die Märkte Möglichkeiten der Unterhaltung und des Konsums, auf die die Menschen im Alltag meist verzichten mussten. Für die Kinder waren die Märkte früher eine Abwechslung, auf die sie sich schon lange vorher freuten. Auch wenn sie manchmal nicht mitkommen durften - ein Mitbringsel gab es allemal.
Hammelburg war noch in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg der anerkannte Mittelpunkt eines lebhaften Viehhandels. Die Nutztiergeschäfte im Freien kamen aber in den 1970er Jahren überall zum Erliegen. Die Produktionsweise in der Mast- und Zuchtviehhaltung hatte sich verändert und auch die Strukturen des Viehhandels wandelten sich.

Zurück in die Stadt

1853, als die Stadtverwaltung noch gegen die Konkurrenzmärkte in Karlstadt und Schweinfurt ankämpfen musste, nennt ein Marktverzeichnis den „Zimmerplatz am Oberen Thor" (für Rinder) und den Platz am „Niederthor" (für Schweine) als Adresse für Erzeuger und Interessenten. Der Viehhandel lag damals also außerhalb der Stadtmauern. Einige Jahre nach dem großen Stadtbrand von 1854, als auch die baufällige Marienkirche auf dem heutigen Viehmarktplatz endgültig abgebrochen war, stand wieder ein Platz in der Innenstadt zur Verfügung.
Als der Viehmarktplatz dann regelmäßig mit Ochsen, Kühen, Stieren, Kälbern, Schweinen, Pferden, Schafen und Ziegen bevölkert war, muss in der Stadt ein regelrechtes Gedränge geherrscht haben, denn die Altstadtgassen sind eng und der Viehmarktplatz ist nicht besonders groß. Die Beteiligten kamen aus der Stadt, allen Dörfern und Weilern der Umgebung mit Gespannen zum Markt. Die Großtiere marschierten in der Regel zu Fuß, das blieb bis weit in die Nachkriegszeit so. In den 60er Jahren wurde der Autoverkehr dann zu stark. Der Hammelburger Viehmarkt zog 1961 um zum Bleichrasen.

Tauben waren gefragt
Auf den Taubenmärkten für Stadt und Umland boten Landwirte und Kleintierhalter Tauben in vielen Variationen an, auch Brieftauben. Bis in die 60er Jahre standen gebratene Täubchen als preiswertes Gericht vor allem in ländlichen Gebieten häufig auf dem Speisezettel, in vielen Dachkammern gab es einen „Taubenschlag". Zur Nachzucht oder für den Kochtopf kaufte und verkaufte man die Tiere auf eigenen Taubenmärkten. Gehandelt wurden die Tiere in Unterfranken meist in oder vor einem Gasthaus.
In Hammelburg fand der Taubenmarkt in den 50er Jahren an der Stadtmauer vor der Gastwirtschaft „Deutsches Haus" statt, später dann in der Löwengasse neben dem Gasthaus „Zum Engel", erinnert sich Landwirt Josef Kaiser. Ebenso wie die Viehmärkte schlief der Taubenmarkt in den 60er/ 70er Jahren langsam ein.
Eine Fortsetzung kann man heute in den regelmäßigen Veranstaltungen der Kleintierzüchter sehen, auf denen alle Arten von Geflügel und Kleintieren zu finden sind.

Christine Schormayer
Abdruck in der Saalezeitung vom 27.3.2009

Landwirt Kaiser
Der Hammelburger Landwirt Josef Kaiser erinnert sich an die Taubenmärkte, die in den 60er/70er Jahren langsam eingeschlafen sind. In eigens dafür vorgesehenen Boxen wurden die Tauben transportiert. Auch heute organisieren die Kleintierzuchtvereine regelmäßig Märkte.
 




VerzeichnisRegelmäßige Märkte bestimmten früher das tägliche Leben. Bis heute haben sie nichts von ihrer Faszination verloren.

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