Hammelburger-Album

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Was die ersten Jahresberichte über ihr Innenleben verraten
 
von Dietmar Katzer
 
Diese Stadt, auch in historischer Beziehung sehr merkwürdig, '"ausgezeichnet durch ihre vielen Naturschönheiten, durch ihre vortreffliche Lage an der fränkischen Saale, durch vorzüglichen Weinbau, Wieswachs und Ackerbau, in einer der schönsten Gegenden von Unterfranken, und unstreitig die schönste im Saalgrunde, [.,.] von den übrigen Studienanstalten auf 6 bis 12 Stunden entfernt, muß ganz besonders geeignet und bestimmt sein, eine Schule der höherem Bildung und geistigen Kultur in ihren Mauern zu umschließen.“ 1)

Diese Gewissheit, niedergeschrieben im Jahre 1845, hat auch heute ihre Gültigkeit noch nicht verloren. Wenn auch die Notwendigkeit dieser Schule in den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten nicht bestritten worden ist, so hat es doch schon im ersten Jahre ihres Bestehens als königlich bayerische lateinische Schule an Schwierigkeiten nicht gefehlt. Der für Hammelburg als erster Studienlehrer ernannte geprüfte Lehramtskandidat zog Aschaffenburg der Saalestadt vor und wurde auf vorgebrachte Gründe vom Antritt der ihm übertragenen Lehrstelle allergnädigst entbunden.
Es sei zu seiner Entschuldigung gesagt, dass er die Freuden kleinbürgerlicher Vergnügungen noch nicht gekannt haben konnte, wie etwa das traditionelle Maifest, das bei günstiger Witterung in der Weise abgehalten wurde, daß die Studienlehrer in der Frühe mit sämtlichen Schülern einen gemeinsamen Spaziergang auf die benachbarten Berge unternahmen, welcher durch Absingen mehrerer Lieder erheitert wurde. Aber davon später mehr.
 
Saure Wochen . . .
 
Wir haben keinen Grund, uns den Alltag von Lehrern und Schülern sehr heiter vorzustellen. In den ersten Klassen betrug die Wochenstundenzahl 16:
Religionslehre 2, Lateinische Sprache 6, Deutsche Sprache 2, Arithmetik 2, Geographie 2. Dazu kamen die außerordentlichen Unterrichtsgegenstände Tonkunst, Zeichnungskunst und Schönschreibkunst mit je 2 Wochenstunden. Für die dritte Klasse hielt das Ministerium 12 Lateinstunden für angemessen. Die vierte (und oberste) Klasse hatte 2 Stunden Religion, 9 Stunden Latein, 5 Griechisch, 2 Deutsch, 2 Arithmetik, Geschichte und Geographie zusammen auch 2, also insgesamt 22 Wochenstunden. Ab der dritten Klasse wurde auf Schönschreiben verzichtet. Ab 1854 stiegen die Zahlen für den Lateinunterricht auf 10, die für Deutsch und Arithmetik auf je 3.

Man gab sich auch alle Mühe, die Schüler musisch und sportlich zu fördern. Zur Bildung des musischen Gehöres und Förderung des Gesanges in mehrstimmigen Chören wurde (1847) eine Gesangschule für die lateinischen Schüler dahier in 's Leben gerufen, welche alle jene Schüler besuchten, die hiezu Anlage hatten, und ihre Productionen bei verschiedenen feierlichen Gelegenheiten erhielten die Anerkennung von Seiten der Anwesenden. Im ersten Schuljahr freilich konnte die Tonkunst, wegen später Eröffnung der Schule noch nicht genugsam kultiviert werden. Nur ein einziger Schüler der II. Klasse beschäftigte und übte sich im Klavierspiel, und trug die eingeübten Stücke am Maifeste und am Tage der Preisverteilung öffentlich vor.

Im Zeichnungs-Unterricht gab es Übungen in methodischer Ordnung. Sie bestanden in Elementar-, Landschafts-, Ornamental-, Kopf-, Tier- und Blumen- und Freihandzeichnungen nach Vorlageblättern.
Ebenfalls im Jahre 1847 wurde [ . . . ] zur Kräftigung der Gesundheit und der Körperkraft bei den Schülern ein Schwimmlehrcurs eröffnet und denselben jede Woche bei passender Witterung vier Stunden Unterricht im Schwimmen unter entsprechender Aufsicht und nöthiger Vorsicht ertheilt. Schon 1845 war während des Sommers den Schülern mehrmals die Erlaubnis gegeben, an dem hiezu bestimmten und abgesteckten Orte im Saalflusse sich zu üben unter gehöriger Aufsicht des Pedellen (Hausmeisters).
Der Turn-Unterricht wird erstmals 1860 erwähnt. Er nahm bei gehöriger Aufsicht durch die Lehrer und beim Wetteifer der Schüler einen erfreulichen Fortgang. Die Turnübungen wurden im Mai, sobald die Witterung es gestattete, begonnen und wöchentlich in 3 Stunden am Dienstag, Donnerstag und Samstag Abends von 7 - 8 Uhr, im Hochsommer von 8 - 9 betrieben.
Derselbe bestand in Übungen nach Gliederthätigkeiten in den verschiedenen Leibesstellungen und im Riegenturnen an Geräten in stufenmäßigem Uebergange vom Leichteren zum Schwereren.

Nicht besondere Fachkenntnisse [...] qualificiren einen Mann zum Lehrer im Deutschen
 
An der Zusammenstellung der Wochenstundenzahlen mag Ihnen der geringe Anteil von Deutschstunden am Gesamtstundenmaß aufgefallen sein. Zwei oder drei Stunden Deutsch scheinen uns Heutigen zu wenig, den gewandten Gebrauch der deutschen Sprache zu erlernen, da sie doch der Unterrichtszweig ist, für welchen der Bürger zunächst ein Bedürfnis fühlt. Die Ergebnisse im Deutschen waren dennoch erfreulich. So ist die III. und IV Klasse (auch) im Stande alle möglichen Eingaben an obrigkeitliche Behörden in der vorschriftsmäßigen Form abzufassen. Wer das Missverhältnis der Stundenzahlen für Deutsch und Latein beklagt, bedenkt nicht, dass man bekanntlich seine Muttersprache nicht gründlicher kennen lernen kann als durch aufmerksame Vergleichung mit fremden Sprachen. Wie wenig kann doch ein Fachlehrer des Deutschen dieser Aufgabe genügen: Nicht besondere Fachkenntnisse [...] qualificiren einen Mann zum Lehrer im Deutschen, sondern seine pädagogische und didaktische Begabung; hat er diese, so braucht er speciell in der deutschen Literatur und Stilistik nicht im Geringsten mehr Kenntnisse, als sie jeder ohnehin tüchtige Ordinarius hat.
 

Die Schüler jeder Klasse werden im Jahresbericht nicht in alphabetischer Reihenfolge, sondern nach ihren Leistungen angeordnet
 
In den früheren Jahresberichten wurde auch die Leistung des Schülers erwähnt in einer Form der Heraus- (und Bloß-) stellung der Studierenden, wie sie heute wirklich undenkbar wäre: Die Schüler jeder Klasse wurden im Jahreskataloge (dem Jahresbericht) nicht in alphabetischer Reihenfolge, sondern nach ihrem Können angeordnet. Da gab es einen besonderen Fortgang, der die Platzziffer des Schülers in jedem ordentlichen Unterrichtsgegenstand angab, den wissenschaftlichen Fächern und der Schönschreibkunst.

Zur Herstellung der Fortgangsplätze [...] wurden periodische Scriptionen abgehalten, und nach der aus diesen schriftlichen Schulaufgaben in den einzelnen Fächern sich herausstellenden Fehlerzahl ergab sich der Rang eines Schülers. Der Leistungsstand des Schülers innerhalb der Klasse wurde aus den verschiedenen Plätzen im besonderen Fortgang errechnet, wobei der Fortgang in der lateinischen Sprache vierfach, in der deutschen Sprache und in der Arithmetik zweifach, in Geographie und Kalligraphie (Schönschreibkunst) einfach gezählt wird, und die Zahl der nach diesen Verhältnissen summirten Plätze den allgemeinen Fortgang bildet, - und das ohne Taschenrechner.
Der Rang des allgemeinen Fortgangs stand vor dem Namen des Schülers: deshalb hat sich die Klassenliste wie eine Bundesligatabelle gelesen mit ihren Spitzenreitern, dem sicheren Mittelfeld und den Abstiegskandidaten.

Von den 22 Schülern der ersten Klasse des Schuljahres 1844/45 tauchen im nächsten Jahr in der zweiten Klasse die Schüler von Rang 13 bis 22 nicht wieder auf, wogegen von den ersten zwölf in der zweiten Klasse nur zwei fehlen. Acht von ihnen begegnen uns aber als Wiederholungsschüler, von denen glücklich 5 auch noch die 2. Klasse meistem. Die dritte und vierte schaffte von den Repetenten nur noch einer: Peter R., 18 Jahre alt, Sohn des Schäfers von Hohenroth, auf Platz drei des allgemeinen Fortgangs von (zuerst 6, dann) 7 Schülern.
1855 rückte aus einer dritten Klasse kein einziger Schüler vor, allerdings bestand sie nur aus drei Buben. Im folgenden Jahre gab es deshalb weder eine erste Klasse (wegen der Wohnungsnot nach dem großen Brand) noch eine vierte.    
   
Angesichts der Strenge der Studienlehrer verdient Beachtung, dass es im nächsten Jahr wieder der Sohn eines Schäfers war, der die anderen überflügelte: Georg Valentin Z., Sohn des Schäfers von Hundsfeld, der im Schuljahr 1845/46 in der zweiten Klasse in allen Fächern den ersten Rang einnahm. Im nächsten Jahre besuchte er bereits die vierte Klasse. Offensichtlich war damals schon Hochbegabten die Möglichkeit gegeben, eine Klassenstufe zu überspringen. Sein Alter betrug jetzt 19 Jahre und 11 Monate. (1858 wurde zum Eintritt in die erste Klasse das Alter auf das vollendete 10. bis einschließlich 13. Lebensjahr festgesetzt.) Über seinem weiteren Schicksal liegt Dunkel: Georg Valentin Z., ein durch Fleiß, Sittlichkeit und religiöse Gesinnung gleich ausgezeichneter Schüler, mußte wegen anhaltender Krankheit zu Ostern die Anstalt verlassen, um im elterlichen Hause seine Heilung zu bewirken. Derselbe würde jedenfalls den Vorrang vor seinen übrigen Mitschülern mit Auszeichnung behauptet haben. (Weniger mitfühlend zeigte sich der Subrector im Fall Adam S. mit der Platzziffer 12 von 16, über den es im Jahresbericht zum nächsten Schuljahr lapidar heißt:  Adam S. ist am 3. Februar gestorben.)

Ab 1860 fand die Berechnung des Fortgangs nur nach Noten und nicht mehr nach Fehlern und Plätzen statt. Auch wurde jetzt den mündlichen Leistungen neben den schriftlichen in der Feststellung des Fortgangs die gleiche Bedeutung eingeräumt.
 

 . . . in Absicht auf Frömmigkeit und sittlichem Verhalten sich mindestens die Note „vorzüglich“ erworben haben
 
Zur Festsetzung des allgemeinen Fortgangs war schon in den Jahren 1840ff. zufolge höchster Ministerial-Entschließung verfügt worden, daß weder in dem Jahreskataloge eine eigene Rubrik für den Fortgang in der Religionskenntniß aufzunehmen sey, noch überhaupt eine Einrechnung derselben in den allgemeinen Fortgang statt zu finden habe. Doch irrt, wer in dieser Bestimmung liberalen Einfluss sehen möchte; in Paragraph drei wird er eines Besseren belehrt: (Es wird verfügt), dass für das Vorrücken in eine höhere Klasse jeder Schüler sich auszuweisen habe, dass er in Absicht auf Frömmigkeit und religiöse Gesinnung, sowie auf sittliches Verhalten mindestens die Note 1,2 (vorzüglich - sehr gut) sich erworben habe. Hieraus wird deutlich, was eine Herabsetzung der Note für sittliches Verhalten infolge einer Strafe für den Delinquenten bedeutete.
 
Als Bezeichnung der Noten war vorgeschrieben:
1. Note: Klasse 1, Stufe 1 : ausgezeichnet
2. Note: Klasse I, Stufe 2 : vorzüglich (sehr gut)
3. Note: Klasse 11, Stufe 1 : vollkommen gut
4. Note: Klasse 11, Stufe 2 : hinlänglich gut
5. Note: Klasse 111, Stufe 1.: gering
6. Note: Klasse 111, Stufe 2 : schlecht
 

Und als Buchpreis die „Griechische Grammatik“
 
Bis zum Schuljahr 1853/54 wurde den jeweils Besten im allgemeinen Fortgang und in den einzelnen Fächern ein Buch als Auszeichnung überreicht. Wenn auch ihr Inhalt heute keinen Schüler mehr aus der Bank lockt - Griechische Grammatik; Leben des hl. Aloysius von Ginzaga; Übungsbuch zum Übersetzen vom Deutschen ins Lateinische und dergleichen für die Schule nützlichen Bücher mehr - der Buchpreis war eine Ehre und bei der damaligen Knappheit von Lehrbüchern auch von materiellem Wert. Damit machte § 37 der Schulordnung vom Jahre 1854 kurz und bündig Schluß: Aus den besonderen Fächern werden mit Ausnahme der Religion keine Preise ertheilt. Der Religionspreis aber wird jenem Schüler zuerkannt, der neben gründlichen Kenntnissen in diesem wichtigen Lehrzweig in Rücksicht auf Frömmigkeit und religiöse Gesinnung entschieden den Vorrang unter seinen Mitschülern behauptet.
 

Hoch lebe der König!
 
In jeder Monarchie haben die Schulen eine wichtige politische Aufgabe zu erfüllen: Zur rechten patriotischen Gesinnung gehört die Liebe zum Herrscherhaus. Die Intensität der Bemühungen, sie zu wecken, spiegelt sich in den Jahresberichten. Allerdings gedachte der erste Subrektor, Dr. Weiglein, der Majestät, des bayerischen Königs, noch gar nicht. Die Alltagssorgen mögen den fernen, hohen Monarchen aus seinem Bewußtsein verdrängt haben. Erwähnt wird nur, dass die Schüler den feierlichen Gottesdiensten an den Namens- und Geburtstagen. des Königs und der Königin beiwohnten. Im nächsten Jahr ist schon die Rede von den Festtagen Seiner Majestät unseres allergnädigsten Königs und Ihrer Majestät unserer allergnädigsten Königin Der Bericht schließt mit einem eher noch zurückhaltenden Vivat: Hoch lebe der König!

Da hörte sich im Jahresbericht 1846/47 die Chronik über die patriotischen Feste schon begeisterter an:
Die Feierlichkeiten an den allerhöchsten Namens- und Geburtstagen Seiner Majestät waren auch den Studienschülern Veranlassung, ihre Wünsche und Bitten für das Wohl des allgeliebten Landesvaters und der allverehrtesten Landesmutter, welche ihre thätige und liebreiche Fürsorge für alle Untertanen des Reichs in den eben verflossenen drückenden Zeiten der Noth auf so glänzende Weise bezeugten, (Ob das Ministerium diesen Hexameter gewürdigt hat?), vor dem Altare Gottes in heißen Gebeten auszusprechen; gleichwie sie bei der zweimaligen Durchreise Sr. Königlichen Majestät durch hiesige Stadt, mit ihren Fahnen in feierlichem Zuge sich aufstellend, ihre Liebe, Treue und Anhänglichkeit an Sr. Majestät allerhöchste Person und das ganze Königliche Haus an den Tag legten. Der huldvolle Gruß aus der durchfahrenden königlichen Kalesche hat die Beziehung des Volkes zur Krone gestärkt. Diesmal wird im Schlusssatz unserem allergnädigsten Landesvater, dem Beförderer
der Kunst und Wissenschaft - (und noch ganz anderer Schönheiten) - [...] dem König    Ludwig 1., ein dreimaliges Lebehoch! dargebracht. Dr. Weigleins Nachfolger, der königliche Subrector Mohr, begnügt sich mit einem dreimaligen Hoch dem allergnädigsten Landesvater, dem König Maximilian. Dann flauen die Begeisterungsbekundungen ab. Subrector Bäuerlein läßt 1849 den König noch hochleben, dann unterbleiben solche Huldigungen, auch unter den folgenden Schulleitern.

Noch vor der weltlichen Obrigkeit aber rangierte in der Jugenderziehung die Kirche. Die Klassenlehrer waren Geistliche, nicht nur, weil das Jakob Rineckers besonderer Wunsch war, sondern weil das dem Anspruch der Kirche und jahrhundertealter Tradition entsprach. Schulleiter waren anfangs die Stadtpfarrer von Hammelburg, und ein Großteil der Jahreschronik berichtete über das geistliche Leben der Schule. Dazu gehörte der tägliche Gottesdienst in der Spitalkirche, welcher von dem königlichen Studienlehrer an Werktagen um !IJ 8, an Sonn- und Feiertagen um 10 Uhr gelesen wird, [...] an welch' letzteren Tagen jedesmal eine geistliche Exhortation (Ermahnung) vorher im Schulzimmer gehalten wurde. Dazu kam ab 1848 noch eine Vesper um 2 Uhr nachmittags. Im Jahre 1859 wurde der Gottesdienst im Sommer auf ihren (der Schüler) eigenen lobenswerthen Wunsch um 6 Uhr abgehalten. Das gab ihnen bis zum Unterrichtsbeginn um 8 Uhr noch gut eine Stunde Zeit zur Vorbereitung.

Fast jährlich feierten einige Schüler der Anstalt das Fest der ersten hl. Kommunion mit, wodurch dieses Fest, welches ohnehin von der ganzen Gemeinde mit der lebhaftesten Theilnahme gefeiert wird, eine neue Zierde erhielt und zur Erhöhung der Festesfreude Veranlassung gab. Ein schönes Zeugnis für das Ansehen der Lateinschule in der Stadt.

Viermal im Jahr, ab 1859 sechsmal, empfingen die Schüler das Sakrament der Buße und des Altars. Darunter auch am 20. und 21. Juni: an diesem Tage wurde das Fest des Hl. Aloysius, des Patrons der studirenden Jugend [...] mit Hochamt und Predigt und feierlicher Kommunion der Schüler gefeiert. Selbstverständlich nahmen sie auch an den feierlichen Processionen am heiligen Frohnleichnamstag unter Vortragung ihrer Fahne und zweier Standarten Antheil.

 

 

. . .  frohe Feste
 
Zu den weltlichen Freuden der Studienlehrer und Schüler gehörte, wie anfangs erwähnt, das traditionelle Maifest, das morgens mit einem Spaziergang, am Nachmittag mit den üblichen Declamations- und Gesangstücken [...} bei dem herkömmlichen Feste in Tremers Garten abgehalten wurde, wohin sich die Schüler mit ihrer Fahne, von der Schule ausziehend, begaben, unter außerordentlich zahlreicher Theilnahme des verehrten Beamtenstands und der Bürgerschaft der Stadt, sowie der hochwürdigen Geistlichkeit von hier und der Umgebung, (und somit wurde) ein wahres Jugendfest gefeiert. Für die Erhöhung der Festesfeier dankte der Schulleiter jenen Schullehrern des Distrikts, welche bei dieser Feier sowohl bei dem Vortrag der musikalischen als der Gesangsproductionen so bereitwillig mitwirkten und auch jenen kunst geschickten Damen, welche den Saal (1846 herrschte schlechtes Wetter) so sinnig verzierten. 1847 kam bei dieser Gelegenheit eine neu componirte Mai-Ouverture von den hiesigen Musikern und den Schullehrern [...J mit vielem Effecte zur Aufführung.

Im selben Jahr, am Tag nach dem Fest des RI. Aloysius, unternahmen die Studienschüler unter Begleitung der Studienlehrer, des Vorstandes der Anstalt, dann vieler Eltern und Schulfreunde eine Excursion zu Fuß auf die etwa 2 Stunden entfernte Schloßruine Trimberg, wo sie in den allmählig zerfallenden Räumen des ehemaligen Restaurators dieses einst mächtigen Schlosses der Schwarzburger, des großen Fürstbischofs Julius sich erinnernd, bei einer romantischen Aussicht in weite Ferne und in den gesegneten Saalgrund, theils mit Gesangsproductionen, theils mit fröhlichen Spielen sich erheiternd. der Mühe und der Hitze des Tages vergessend, zu neuer Thätigkeit in ihrem Berufe sich stärkten und gegen Abend wieder heimkehrten. Dass sich die Studienschüler durchaus auch anderer (profanerer) Stärkungsmittel bedienten, bezeugen manche Eintragungen im Großen Strafbuch der Lateinschule.

Beim Neuaufbau der Lateinschule fehlte es erheblich an Lehrmaterial und an Literatur. Die Gründung einer Studienbibliothek bleibt bis daher aus Abgang parater Mittel hiezu immer noch ein frommer Wunsch, so dringend auch dessen alsbaldige Realisirung erscheinen dürfte. Einen Rückschlag in diesen Bemühungen brachte der verheerende Brand von 1854, der auch das Studiengebäude im Spital zerstörte. Er veranlasste viele Wohltäter an den Studienanstalten zu Würzburg und Münnerstadt, wie auch der hiesigen Stadt und Umgebung [...] den vom Brandunglück hart getroffenen hiesigen Lateinschülern mit ihren milden Gaben an Geld, Büchern und Kleidungsstücken [...J schnell, [...J freundlich und reichlich zu Hilfe zu eilen. Nach jenem traurigen Ereignisse mußte der Zeichnungs- und Gesangunterricht in Ermangelung eines geeigneten Lokales sistirt werden (musste ausfallen).

Aber die Hammelburger waren fest entschlossen, ihre Lateinschule zu halten. Manche edle Bewohner hiesiger Stadt, selbst nicht im Ueberflusse lebend, besonders unter den damaligen Verhältnissen,. waren bemüht, armen Schülern Unterstützung zu leisten.
Die Sorge der Eltern, die Kosten für ein Studium nicht aufbringen zu können, sollte folgender Hinweis zerstreuen: Der Unterricht ist frei, nur einige Gulden werden das Jahr über für die Schulbedürfnisse eingesammelt. Die Eltern einheimischer Studenten schlagen Kost und Logis nicht an, so lange sie ihre Söhne um sich haben; die Fremden finden bekanntlich hier eine so wohlfeile Unterkunft, wie kaum in einer anderen Stadt, die Armen aber werden von den hiesigen Bewohnern wohlwollend unterstützt.

Auf das Jahr 1855 datiert auch das Interesse und die Hilfe des Franziskaner-Convents zu Kloster Altstadt; jedenfalls dankt die Schulleitung alle Jahre wieder für die reichliche Unterstützung, die der ehrwürdige Franziskaner-Convent [...] an arme Schüler gespendet hat.
Nach hoher Gutheißung der kgl. Regierung vom 7. Februar (1859) wurde der Anfang zur Gründung einer Lesebibliothek besonders für die III. und IV. Klasse gemacht. Als Mittel hiezu diente theils das 1nscriptionsgeld, theils freiwillige monatliche Beiträge der Schüler. Diese (die Schüler) machten von den Lesebüchern, deren Zahl bereits 25 ist, freudigen und fleißigen Gebrauch. An Schüler der I. und II. Klasse wurden solche nur dann verabreicht, wenn sie sich durch Fleiß und Fortschritte auszeichneten und kein Abziehen vom Lernen zu besorgen war. Überhaupt mögen die Eltern und Hausangehörigen der Schüler darauf achten, daß diese nicht eher zum Lesebuch greifen, bis sie ihre Aufgabe ausgearbeitet und gelernt oder einiges wiederholt haben.
 
... daß Ausbildung des Verstandes und Veredlung des Herzens ihrer Söhne die Hauptaufgabe der Lehrer dieser Anstalt ist
 
Schon seit Bestehen erläutern die Jahresberichte ausführlich die Vorteile des Besuchs der Lateinschule und versuchen, namentlich die Bewohner der näheren Umgebung zu veranlassen, hiesiger Lateinschule ihr Vertrauen zuzuwenden: [...] an der hiesigen Anstalt (kann) eine gründliche Bildung und Erziehung der Schüler im wahren Sinne des Wortes [..J um so leichter erzielt werden [...], da hier Vorstand und Lehrer der Anstalt jeden einzelnen Schüler in allen Verhältnissen beobachten und stets überwachen können. Dies vorzüglich wird den Eltern große Beruhigung gewähren (ihren Kindern weniger), wenn sie ihre Söhne nicht so weit vom älterlichen Hause entfernt sehen, und unbesorgt um dieselben ihren Geschäften obliegen können, in der sicheren Überzeugung, dass Ausbildung des Verstandes und Veredlung des Herzens ihrer Söhne die Hauptaufgabe der Lehrer der Anstalt ist, welchen sie ihr Theuerstes, ihre Kinder, anvertraut haben.
Die hiesigen Bürger zumal, sowie auch die Bewohner der nächsten Umgebung werden die Vortheile nicht verkennen, welche eine Lateinschule für die künftige Wohlfahrt ihrer Söhne bietet. Könnten wir nur heute mit der gleichen Gewissheit wie vor fast 150 Jahren sagen, daß man mit einem jungen Menschen oder Bürger Hammelburgs keine Stunde zusammen sein muß, um zu merken, daß er die hiesige Anstalt besucht hat.
 
 

 

 

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