Handel unter freiem Himmel
Die Stadt Hammelburg und ihre Märkte vom Mittelalter bis heute
Auch im Jahr 2009 hat Hammelburg wieder ein reichhaltiges Marktverzeichnis. Damit wird eine bewährte Tradition fortgesetzt, die bis ins Mittelalter zurückreicht, denn der Handel unter freiem Himmel hat nichts von seiner Anziehungskraft verloren.
Zwar gibt es schon lange keinen Zutrieb von Rindern, Pferden oder Schweinen mehr und längst ist vergessen, was eine Getreideschranne war. Dafür haben sich neue Formen des Marktlebens gebildet wie die beliebten Floh- und Antikmärkte, die Modellbahnbörsen, Handwerkermärkte und Mineralienbörsen. Bauernmärkte bieten einmal im Monat frische Lebensmittel ausschließlich von Erzeugern aus der Region. Bei den großen Jahrmärkten im Frühjahr und Herbst verbinden sich heute die Aktionen der städtischen Geschäftswelt und das Sortiment der fahrenden Händler zu einem besonderen Erlebnis. Auch in den Zeiten von Internet-Auktionshäusern und Versandhandel per Computer ist das Flair eines Marktes unter freiem Himmel unvergleichlich geblieben.
Marktrecht als Privileg
Das Recht, einen Markt abzuhalten, war ein Privileg, das ursprünglich nur Kaiser oder Könige verleihen konnten. Die Marktgerechtigkeit war begehrt, denn sie war entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung eines Ortes. Kaiser Albrecht I. verlieh Hammelburg 1303 die Stadtrechte, die neben anderen Freiheiten auch das Marktrecht aufführten. Die Verleihung des Marktrechts gewährte auch den Königsfrieden.
Der Markt selbst und seine Händler standen unter seinem Schutz. Wer den Frieden brach, wurde schwer bestraft. Der Marktplatz war im Mittelalter nicht nur der Ort für die Handelsgeschäfte, sondern auch das politische und wirtschaftliche Zentrum der Stadt. Auf ihm versammelten sich die Bürger und hier wurden Gerichtsurteile verkündet. In seiner Nähe standen die Kirche und das Rathaus mit den städtischen Markthallen. Auch in Hammelburg gab es im Mittelalter für die Bäcker und Metzger Verkaufsräume im Erdgeschoss des Rathauses. Viele Gaststätten rund um den Platz und ein plätschernder Marktbrunnen sorgten auch schon in früheren Zeiten für eine einladende Atmosphäre.
Viele Selbstversorger
Die Bevölkerung von kleinen Ackerbürger- und Winzerstädten wie Hammelburg lebte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts mit einem hohen Selbstversorgungsgrad an Lebensmitteln. Das Essen kam zum großen Teil aus dem eigenen Krautgarten, Acker und Stall. Den Wochenmarkt beschickten die Erzeuger aus Stadt und Umland, in Hammelburg hatte sich auch eine kleine Erwerbsgärtnerei herausgebildet, die den Speiseplan der Bürger vor allem mit Feingemüse bereicherte. Große Obstgärten rund um die Stadt lieferten Früchte für Tafel und Vorratshaltung.
Das Sortiment der „Viktualienmärkte" (Viktualien = Lebensmittel), die in Hammelburg einst jeden Freitag stattfanden, bot neben Obst und Gemüse wahrscheinlich auch Erzeugnisse tierischen Ursprungs wie Eier, Butter, Käse und anderes. Der Stadtmagistrat übernahm im Jahr 1859 die Marktordnung der Stadt Würzburg, die in eigenen Paragraphen ausdrücklich Jedermann zum Viktualienhandel ermutigt. Die Bestimmungen der Marktordnung enthalten außerdem genaue Vorschriften zur Lebensmittelhygiene, zum Verbraucherschutz, zu kaufmännischen Regeln und zur öffentlichen Ordnung.
Jahrmärkte als Festtage
Noch nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Hammelburger Gärtner regelmäßig mit ihren großen Holzwagen auf den Marktplatz. Mit der Ausbreitung großer Lebensmittelmärkte nach den 1950er Jahren wurde die Konkurrenz zu stark - für die regionalen Erzeuger lohnte sich ein wöchentlicher Marktstand in einer kleinen Stadt nicht mehr.
Herzstück des alljährlichen Marktreigens waren vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert noch die Jahrmärkte und die Viehmärkte. Nach einer Aufstellung aus dem Jahr 1853 wurden damals sieben Jahrmärkte abgehalten: der Josephi-Markt im März, der Mai-Markt, der Kiliani-Markt im Juli, der Bartholomäi-Markt im August, der Michaeli-Markt im
September oder Oktober, der Martini-Markt im November und ein „Christ-Markt" im Dezember.
Nach einigen Jahrzehnten der Unterbrechung wurde 1974 wieder der Michaelsmarkt eingeführt, 1976 der Frühjahrsmarkt und 1991 der Weihnachtsmarkt. Schon im Mittelalter traten auf den städtisch Märkten nicht nur einheimische Handwerker auf, sondern auch fahrende Händler, denn oft konnte der Bedarf an Gebrauchsgütern durch das ansässige Gewerbe nicht gedeckt werden.
Auf den Jahrmärkten deckte man sich mit allem ein, was man in Haus und Hof brauchte. Die „Krämer", die vom Hosengummi bis zum Kehrbesen alles in ihrem Marktstand mitführen, üben heute noch eine große Faszination auf die Marktbesucher aus. Auch heute noch findet man bei ihnen Dinge, die man schon lange gesucht hat.
Gefragte Viehmärkte
Jahrmärkte waren Festtage. Vor allem für die Bevölkerung der Umgebung boten die Märkte Möglichkeiten der Unterhaltung und des Konsums, auf die die Menschen im Alltag meist verzichten mussten. Für die Kinder waren die Märkte früher eine Abwechslung, auf die sie sich schon lange vorher freuten. Auch wenn sie manchmal nicht mitkommen durften - ein Mitbringsel gab es allemal.
Hammelburg war noch in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg der anerkannte Mittelpunkt eines lebhaften Viehhandels. Die Nutztiergeschäfte im Freien kamen aber in den 1970er Jahren überall zum Erliegen. Die Produktionsweise in der Mast- und Zuchtviehhaltung hatte sich verändert und auch die Strukturen des Viehhandels wandelten sich.
Zurück in die Stadt
1853, als die Stadtverwaltung noch gegen die Konkurrenzmärkte in Karlstadt und Schweinfurt ankämpfen musste, nennt ein Marktverzeichnis den „Zimmerplatz am Oberen Thor" (für Rinder) und den Platz am „Niederthor" (für Schweine) als Adresse für Erzeuger und Interessenten. Der Viehhandel lag damals also außerhalb der Stadtmauern. Einige Jahre nach dem großen Stadtbrand von 1854, als auch die baufällige Marienkirche auf dem heutigen Viehmarktplatz endgültig abgebrochen war, stand wieder ein Platz in der Innenstadt zur Verfügung.
Als der Viehmarktplatz dann regelmäßig mit Ochsen, Kühen, Stieren, Kälbern, Schweinen, Pferden, Schafen und Ziegen bevölkert war, muss in der Stadt ein regelrechtes Gedränge geherrscht haben, denn die Altstadtgassen sind eng und der Viehmarktplatz ist nicht besonders groß. Die Beteiligten kamen aus der Stadt, allen Dörfern und Weilern der Umgebung mit Gespannen zum Markt. Die Großtiere marschierten in der Regel zu Fuß, das blieb bis weit in die Nachkriegszeit so. In den 60er Jahren wurde der Autoverkehr dann zu stark. Der Hammelburger Viehmarkt zog 1961 um zum Bleichrasen.
Tauben waren gefragt
Auf den Taubenmärkten für Stadt und Umland boten Landwirte und Kleintierhalter Tauben in vielen Variationen an, auch Brieftauben. Bis in die 60er Jahre standen gebratene Täubchen als preiswertes Gericht vor allem in ländlichen Gebieten häufig auf dem Speisezettel, in vielen Dachkammern gab es einen „Taubenschlag". Zur Nachzucht oder für den Kochtopf kaufte und verkaufte man die Tiere auf eigenen Taubenmärkten. Gehandelt wurden die Tiere in Unterfranken meist in oder vor einem Gasthaus.
In Hammelburg fand der Taubenmarkt in den 50er Jahren an der Stadtmauer vor der Gastwirtschaft „Deutsches Haus" statt, später dann in der Löwengasse neben dem Gasthaus „Zum Engel", erinnert sich Landwirt Josef Kaiser. Ebenso wie die Viehmärkte schlief der Taubenmarkt in den 60er/ 70er Jahren langsam ein.
Eine Fortsetzung kann man heute in den regelmäßigen Veranstaltungen der Kleintierzüchter sehen, auf denen alle Arten von Geflügel und Kleintieren zu finden sind.
Abdruck in der Saalezeitung vom 27.3.2009
Der Hammelburger Landwirt Josef Kaiser erinnert sich an die Taubenmärkte, die in den 60er/70er Jahren langsam eingeschlafen sind. In eigens dafür vorgesehenen Boxen wurden die Tauben transportiert. Auch heute organisieren die Kleintierzuchtvereine regelmäßig Märkte.