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Nicht besondere Fachkenntnisse [...] qualificiren einen Mann zum Lehrer im Deutschen
 
An der Zusammenstellung der Wochenstundenzahlen mag Ihnen der geringe Anteil von Deutschstunden am Gesamtstundenmaß aufgefallen sein. Zwei oder drei Stunden Deutsch scheinen uns Heutigen zu wenig, den gewandten Gebrauch der deutschen Sprache zu erlernen, da sie doch der Unterrichtszweig ist, für welchen der Bürger zunächst ein Bedürfnis fühlt. Die Ergebnisse im Deutschen waren dennoch erfreulich. So ist die III. und IV Klasse (auch) im Stande alle möglichen Eingaben an obrigkeitliche Behörden in der vorschriftsmäßigen Form abzufassen. Wer das Missverhältnis der Stundenzahlen für Deutsch und Latein beklagt, bedenkt nicht, dass man bekanntlich seine Muttersprache nicht gründlicher kennen lernen kann als durch aufmerksame Vergleichung mit fremden Sprachen. Wie wenig kann doch ein Fachlehrer des Deutschen dieser Aufgabe genügen: Nicht besondere Fachkenntnisse [...] qualificiren einen Mann zum Lehrer im Deutschen, sondern seine pädagogische und didaktische Begabung; hat er diese, so braucht er speciell in der deutschen Literatur und Stilistik nicht im Geringsten mehr Kenntnisse, als sie jeder ohnehin tüchtige Ordinarius hat.
 

Die Schüler jeder Klasse werden im Jahresbericht nicht in alphabetischer Reihenfolge, sondern nach ihren Leistungen angeordnet
 
In den früheren Jahresberichten wurde auch die Leistung des Schülers erwähnt in einer Form der Heraus- (und Bloß-) stellung der Studierenden, wie sie heute wirklich undenkbar wäre: Die Schüler jeder Klasse wurden im Jahreskataloge (dem Jahresbericht) nicht in alphabetischer Reihenfolge, sondern nach ihrem Können angeordnet. Da gab es einen besonderen Fortgang, der die Platzziffer des Schülers in jedem ordentlichen Unterrichtsgegenstand angab, den wissenschaftlichen Fächern und der Schönschreibkunst.

Zur Herstellung der Fortgangsplätze [...] wurden periodische Scriptionen abgehalten, und nach der aus diesen schriftlichen Schulaufgaben in den einzelnen Fächern sich herausstellenden Fehlerzahl ergab sich der Rang eines Schülers. Der Leistungsstand des Schülers innerhalb der Klasse wurde aus den verschiedenen Plätzen im besonderen Fortgang errechnet, wobei der Fortgang in der lateinischen Sprache vierfach, in der deutschen Sprache und in der Arithmetik zweifach, in Geographie und Kalligraphie (Schönschreibkunst) einfach gezählt wird, und die Zahl der nach diesen Verhältnissen summirten Plätze den allgemeinen Fortgang bildet, - und das ohne Taschenrechner.
Der Rang des allgemeinen Fortgangs stand vor dem Namen des Schülers: deshalb hat sich die Klassenliste wie eine Bundesligatabelle gelesen mit ihren Spitzenreitern, dem sicheren Mittelfeld und den Abstiegskandidaten.

Von den 22 Schülern der ersten Klasse des Schuljahres 1844/45 tauchen im nächsten Jahr in der zweiten Klasse die Schüler von Rang 13 bis 22 nicht wieder auf, wogegen von den ersten zwölf in der zweiten Klasse nur zwei fehlen. Acht von ihnen begegnen uns aber als Wiederholungsschüler, von denen glücklich 5 auch noch die 2. Klasse meistem. Die dritte und vierte schaffte von den Repetenten nur noch einer: Peter R., 18 Jahre alt, Sohn des Schäfers von Hohenroth, auf Platz drei des allgemeinen Fortgangs von (zuerst 6, dann) 7 Schülern.
1855 rückte aus einer dritten Klasse kein einziger Schüler vor, allerdings bestand sie nur aus drei Buben. Im folgenden Jahre gab es deshalb weder eine erste Klasse (wegen der Wohnungsnot nach dem großen Brand) noch eine vierte.    
   
Angesichts der Strenge der Studienlehrer verdient Beachtung, dass es im nächsten Jahr wieder der Sohn eines Schäfers war, der die anderen überflügelte: Georg Valentin Z., Sohn des Schäfers von Hundsfeld, der im Schuljahr 1845/46 in der zweiten Klasse in allen Fächern den ersten Rang einnahm. Im nächsten Jahre besuchte er bereits die vierte Klasse. Offensichtlich war damals schon Hochbegabten die Möglichkeit gegeben, eine Klassenstufe zu überspringen. Sein Alter betrug jetzt 19 Jahre und 11 Monate. (1858 wurde zum Eintritt in die erste Klasse das Alter auf das vollendete 10. bis einschließlich 13. Lebensjahr festgesetzt.) Über seinem weiteren Schicksal liegt Dunkel: Georg Valentin Z., ein durch Fleiß, Sittlichkeit und religiöse Gesinnung gleich ausgezeichneter Schüler, mußte wegen anhaltender Krankheit zu Ostern die Anstalt verlassen, um im elterlichen Hause seine Heilung zu bewirken. Derselbe würde jedenfalls den Vorrang vor seinen übrigen Mitschülern mit Auszeichnung behauptet haben. (Weniger mitfühlend zeigte sich der Subrector im Fall Adam S. mit der Platzziffer 12 von 16, über den es im Jahresbericht zum nächsten Schuljahr lapidar heißt:  Adam S. ist am 3. Februar gestorben.)

Ab 1860 fand die Berechnung des Fortgangs nur nach Noten und nicht mehr nach Fehlern und Plätzen statt. Auch wurde jetzt den mündlichen Leistungen neben den schriftlichen in der Feststellung des Fortgangs die gleiche Bedeutung eingeräumt.
 

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