Am 15.Juli 1884 schiffte ich mich zum ersten Male an Bord eines Kriegsschiffes ein und war dieses Schiff die Kreuzercorvette "Ariadne". Dieselbe war als Schulschiff für vierjährige freiwillige Matrosen in Dienst gestellt und bestimmt, den Übungen des Geschwaders beizuwohnen, Nach den Geschwaderübungen erhielten wir Ordre, das Westafrikanische Geschwader mitzumachen. Nachdem das Schiff ausgerüstet war, gingen wir am 14.Oktober in den Vorhafen, nahmen daselbst Munition, und am 15. gingen wir auf Reede, wo das Schiff und die Mannschaft von dem Chef des Westafrikanischen Geschwaders Herrn Contre-Admiral Knorr inspiziert wurde.
Am 30.Oktober frühmorgens 8 Uhr gingen das Westafrikanische Geschwader, bestehend aus den beiden Kreuzerfregatten , „Bismarck“ und „Gneisenau“ und den beiden Kreuzercorvetten „Ariadne“ und „Olga“ Anker auf und steuerten in der Richtung nach Plymouth, Am 2.November frühmorgens 9 Uhr passierten wir Dover - Calais, dampften weiter und passierten um 10 Uhr Folkestone, wo 1878 Panzerthurmschiff "Großer Kurfürst" mit der Panzerfregatte "König Wilhelm" zusammenstieß, wobei letzerer glücklich davonkam und ersterer untergehen mußte, wobei 350 Menschen zugrunde gingen.
Am 3.November frühmorgens 8 Uhr meldete der Posten auf der Vormast: "Land in Sicht steuerbord". Um 1/2 l2 Uhr gingen wir in Plymouth, England, vor Anker, nahmen daselbst von 4 bis 5 Uhr des Nachts Kohlen über, und gingen am 9. November wieder in See, steuerten in der Richtung nach Madeira, wo wir nach siebentägiger Fahrt ankamen und ankerten. Dort trafen wir das englische Geschwader, bestehend aus 7 großen Panzer- und einem Transport-Dampfer "London". Das Flaggschiff "Minotaur" hatte 5 Masten und 500 Mann Besatzung.
Am 18.November nahmen wir wieder Kohlen. Funchal, die Stadt auf der Insel Madeira, liegt auf einem Berge dicht am Meer. Alles steile Berge, sehr gutes Klima und sehr fruchtbar. Am 14. war ich daselbst auf Urlaub und besah mir unter anderem den Garten der Kaiserin von Österreich, den Friedhof und die Kirchen, die alle katholisch sind.
Die Insel ist von Portugiesen bewohnt. Einen seltsamen Eindruck macht auf dieser Insel das Schlittenfahren, trotzdem man hier keinen Schnee kennt. Der Boden und das Pflaster besteht nämlich aus kleinen schwarzen Steinen, die wegen ihrer Glätte das Fahren mit Wagen unmöglich machen.
Am 15. hatte der Pfarrer, der ein Rheinländer ist, die katholische Mannschaft zur Kirche eingeladen, wo er in seiner Muttersprache, was er seit 12 Jahren nicht mehr getan, predigte und eine Hl.Messe las.
Am 16.November gingen wir Anker auf, und wiederum nach siebentägiger Fahrt erreichten wir am Sonntagmorgen, 23.November, Porto Grande (St. Vinzenz), woselbst wir uns zu Anker legten. Am 25. erhielt ich Urlaub und konnte mich nicht genug über die Neger freuen.
Die Insel St. Vinzenz ist gänzlich unfruchtbar, alles kahle steile Felsen, welche eine sehr romantische Ansicht gewährt, besonders der schlafende Riese und das an der Hafeneinfahrt gelegene Eiland. Am 26. , 27. und 28.November hatten wir großes Landungsmanöver geübt.
Am 30. November löste sich das Geschwader auf und gingen wir noch denselben Nachmittag in See. Nachdem wir Anker auf gegangen waren, setzten. wir a l l e Segel und segelten bis zum 5, Dezember. An demselben Tage Segel fest und Dampf aufgemacht. Am 6. war scharfes "Klar Schiff" . So dampften wir weiter bis zum 9. Dezember, als wir Land in Sicht bekamen. Wir gingen wieder zu Anker in Monrovia, Negerrepublik Liberia (6 Grad nördl. Breite)
Am 14. Dezember stattete der deutsche Consul nebst Frau, einer Mulattin, einen Besuch an Bord „S.M.S. Ariadne“ ab.
Da es uns sehr an Zeit fehlte, und wir dazu eine Behandlung hatten, wie sie nicht schlechter sein konnte, und einem dabei die Lust an allem verging, so machte ich weiter keine Bemerkungen mehr, doch kann ich mich jetzt, nach vollendeter Reise, noch an alles erinnern.
Die Ordre des Geschwaders war, verschiedene Länder an der Westküste unter deutsches Protektorat zu steilen und die deutsche Flagge zu hissen.
Ende Dezember brachte uns der Kapitän eines Woermann'schen Dampfers die Nachricht, daß der König von Kapitai den Wunsch geäußert, sein Land unter deutschem Schutz zu haben. Wir gingen deshalb am l. Weihnachtsfeiertagabend, nachdem wir 7 Neger geholt, die in das Brandungsboot sollten, Anker auf. Da unsere Abreise nicht bemerkt werden sollte, so geschah dies bei Nacht, ohne daß Passitwas-Laternen gefahren wurden, Erst steuerten wir falschen Kurs, doch als wir nicht mehr bemerkt werden konnten, ging es mit Volldampf und vollen Segeln unserem! Ziel zu. Nach mehreren Tagen waren wir an Ort und Stelle, d. h. wir lagen noch 20 miles. von Land ab, da wir wegen der geringen Wassertiefe 6 m nicht dichter unter Land konnten. Folgenden Tages wurden alle Boote ausgesetzt. mit ausgesuchten Leuten armiert. Jeder erhielt 20 Patronen, denn wir dachten nicht anders. als daß nun die Schwarzen angreifen würden. Mit banger Erwartung lauerten die Zurückgebliebenen auf die Heimkehr der Boote, denn alle dachten nicht anders, als daß nun das Gefecht mit den Schwarzen beginnen würde, Doch die Hoffnung ging nicht in Erfüllung, denn die Neger machten nicht die geringste Miene zu einem Angriff. Im Gegenteil, sie waren sehr freundschaftlich, und so war unserem Kommandeur seine Mission bald zu Ende. Schon nächsten Tag nach seiner Zurückkunft an Bord wollte er das Land unter Deutschen Schutz stellen und die Flagge hissen. Jeder wollte nun gerne mit an Land, um diesen Akt mitzumachen, aber das Los entschied nur wenige. Ich war leider nicht darunter. Am Neujahrstag früh zur Musterung alle Mann achteraus und der erste Qffizier hielt eine feierliche Anrede, enthaltene, daß am heutigen Tag der Kommandant S,M.S. Ariadne zum erstenmal nach so langer Zei t (die Seit des großen Kurfürsten) die deutsche Flagge gehisst, und dies der Nachwelt von großer Bedeutung sei. Mit einem dreimaligen Hurra auf S. M. den Kaiser und das neue deutsche Land schloß die Anrede .
Nach 2 Tagen kehrte der KomnandanT und die Bootsbesatzung zurück. Uns konnten dieselben nicht genug erzählen, was sie gesehen und gehört haben.
Tags darauf kam ein Dampfer von der in Kapitai bestehenden Faktorei Wörmann und brachte uns die Könige von Kapitai und Soba mit ihren Ministern und Kriegern in phantastischer Kleidung oder meist nackt an Bord, um den Kontrakt abzuschließen. Auch erhielten wir 7 afrikanische Ochsen, die uns sehr willkommen waren. Einige Zeit nach Ankunft der seltsamen Gäste wurden alle Mann aufgepfiffen, klar zum Manöver. "Kerls", sagte der erste Offizier, "zeigt diesen Schwarzen, was ein deutsches Kriegsschiff zu leisten im Stande ist" . Groß war das Erstaunen der Neger über das Segelexerzieren, sowas hatten sie noch nie gesehen. Doch ihr Erstaunen sollte noch größer werden, als zum "Klar Schiff" angeschlagen wurde. In 6 Minuten war das Schiff klar zum Gefecht. "Batterieweise feuern" kommandierte der Batterie-Offizier. Alle Geschütze wurden zugleich geladen und "Feuer". Mit einem Ruck donnerten sämtliche Geschütze. Die Neger waren außer sich vor Erstaunen. Den nächsten Tag setzten wir die Reise mit der ganzen schwarzen Gesellschaft fort, um nach eintägiger Fahrt im "Königreich Soba" die deutsche Flagge zu hissen.
Ein Woermannscher Dampfer brachte den König von Kapitai und dessen Begleitung wieder nach dahin zurück. Mehrere, darunter auch der Bruder des Königs, wollten gerne mit nach Deutschland, doch gab das unser Kommandant nicht zu.
Unsere Mission war hier beendet und wir gingen zurück nach Freetown (Englisch), woselbst wir sogleich beurlaubt wurden und uns da köstlich amüsierten. Die Stadt ist von lauter zivilisierten Negern bewohnt, und das da liegende Militär, die Offiziere ausgenommen, sind Heger. Wir waren da bei ihnen in den Kasematten, wo wir uns mit diesen schwarzen Kameraden vortrefflich amüsierten.
Da die "Ariadne" sehr wenig Kohle nehmen konnte, und da an der Westküste nicht überall Kohlen zu haben sind, so erhielten wir die Nachricht-, daß uns der Kreuzer "Habicht" ablösen sollte. Wir gingen deshalb, nachdem wir unsere schwarzen Brandungsbootgäste durch einen Dampfer wieder nach Monrovia zurückschickten, nach Porto Grande, um daselbst unsere Ablösung abzuwarten. Nach einem Zeitraum von 4 Wochen waren wir abgelöst und traten die Heimreise' an. Wir ankerten noch in den spanischen Häfen Santa Kruz, (Insel Teneriffa, Kanarische Insel, bekannt durch den hohen feuerspeienden Berg), dann Vigo, von da nach Plymouth. Am Dienstag in der Karwoche 1885 trafen wir unter dem Salut der auf Schede liegenden Schiffe in Wilhelmshafen ein.
Am Mittwoch hatten wir Inspizierung von dem Chef der Admiralität, der uns zu dem guten Manöver, des guten Aussehens des Schiffes und der Mannschaft wegen, alles Lob spendete. Bei dem "Alle Mann achteraus" bemerkte er unter anderem, daß das, was wir an der Westküste von Afrika getan, uns zwar gering erscheine, er aber, der höher stehe, einen tieferen Einblick hätte. Es wäre dies der erste Schritt, den Deutschland, um sich zu erweitern, im Ausland getan. Und unsere Enkel würden noch unser gedenken.
Zweite Seereise „S.M.S. Panzerschiff Friedrich Karl“
Zweck der Reise: Den bevorstehenden Krieg zwischen der Türkei und Griechenland, woraus ein allgemeiner Krieg über ganz Europa entstehen konnte, im Verband mit fast sämtlichen Großmächten Europas, zu verhindern.
Besondere Merkwürdigkeiten waren die große internationale Flottendemonstration in Suda-Bay, Insel Kreta; 4-wöchentliche Blockade in Griechenland vor Athen; Aufhebung der Blockade; 4-wöchentliche Erholungsreise im Mittelmeer. Dauer der Reise: 7 1/2 Monate.
Erinnerungen. Geschrieben vor 1900
Da in letzter Zeit die Zeitungen voll sind von Berichten über die Vorgänge auf der Insel Kreta, und man auf den Ausgang derselben immer noch gespannt ist, so möchte ich durch einen kurzen Vortrag etwas über diese Insel und eine Reise dorthin berichten, da ich nämlich schon mehrere Monate in dieser Gegend verweilte. Es war Ende Januar des Jahres 1886. Wir waren vor wenigen Wochen von einem Schiffe abkommandiert worden und befanden uns an Land in der Kaserne, wo wir das eintönige Leben eines Landsoldaten führten. Ich war Befehlsordonnanz geworden, aber das bequeme Leben an Land paßt .einem Matrosen, der im dritten Jahr dient, nicht lange, und so kam uns dann ganz erwünscht die Nachricht, das Panzerschiff "Friedrich Karl" solle sofort in Dienst gestellt werden und ins Mittelmeer gehen. Da ein Soldat der Marine gern dahin mitgeht, wo es "Lorbeeren zu pflücken gibt", wie unser Bootsmann immer sagte, so waren wir erfreut, als wir erfuhren, der "Friedrich Karl" würde wahrscheinlich in Aktion kommen, da es zwischen Griechen und Türken auf der Insel Kreta zu Streitigkeiten gekommen sei. Im Verein mit den anderen Großmächten sollten wir einen Krieg verhindern, woraus ein allgemeiner europäischer Krieg entstehen könnte. Uns wurde nämlich gesagt, die Insel Kreta gehörte früher zu Griechenland, kam aber durch einen Vertrag sämtlicher europäischer Völker an die Türkei. Griechenland wollte nun die Insel mit Gewalt wieder haben, dieselbe sei aber schon halb, wegen der großen Schulden, welche die Türkei an England hat, an die Engländer verpfändet. So war denn auch das Aufgebot an die Großmächte von England angestiftet. Deutschland muß es kein großer Gefallen gewesen sein, denn es kam an uns von Berlin eine Depesche nach der anderen. Bald hieß es "abreisen",- bald "noch abwarten". Als die letzte Ordre ankam mit dem Befehl "sofort abreisen", war das Schiff gerade zur Abreise fertig.
Die Vorbereitung dazu war in zwei Tagen und zwei Nächten fertig geworden, was keine kleine Anforderung war, denn ein Panzerschiff präsentiert eine Festung. Natürlich konnte dies die Schiffsbesatzung nicht allein leisten, es wurden alle verfügbaren Kräfte dazu herangezogen, denn wir hatte 400 bis 500 Tonnen Kohle zu nehmen, dann die Munition.
Unser Schiff hatte 16 schwere Geschütze und 6 Schnellfeuerkanonen und 3 Torpedogeschütze. Dann kam noch Proviant und Wasser für 500 Mann und die eigentliche Schiffsausrüstung dazu,
Also jetzt zur Reise:
Im Hafen zu Wilhelmshafen .kann man nur zur Flutzeit ein- und ausfahren. Und .dann geht es durch Schleusen, die nicht breiter sind, als daß sich das größte Schiff durchzwängen kann. Es war gerade schlechtes Wetter, die Brandung an den Schleusen und Wollenköpfen, sodaß der Kapitän ohne Zuhilfenahme eines Schleppdampfers gar nicht aus dem Hafen kommen konnte. Eine ungeheure Menschenmenge stand auf den Vollen, viele Frauen und Kinder. Die Angehörigen der Offiziere und Maaten weinten. Die Küstenforts feuerten Salut, die Musik spielte, Tücherschwenken und Ade-Rufen vom Lande. Aber wir konnten dem allen keine Aufmerksamkeit schenken. Kit dem Aufgebot aller Kräfte hatten wir zu arbeiten, um das Schiff aus dem Hafen zu bringen. Auf einmal ein Krach, und der eiserne Roller, an dem der Schleppdampfer befestigt .war, war gebrochen und wir brauchten den Schlepper wenigstens nicht loszumachen. "Alle Mann antreten zur Musterung" hieß es jetzt, aber wie sahen wir, wie sah das Schiff aus! Unser erster Offizier schlug die Hände über dem Kopf zusammen, wie so schwarz von Kopf bis zu FuB wir waren, wie Schlotfeger. Das Schiff das reinste Kohlenmagazin und eine Kälte, es war am 2. Februar und auf allen Seiten schlugen die Wellen über Bord! "Stillgestanden" hieß es, als der erste ' Offizier dem Kommandant Meldung machte, allerdings ein schlechter Stillstand bei diesem Wetter. Nur ein paar Sekunden reichten hin, daß wir von dem entgegenspritzenden Wasser fast alle die Ohren erfroren. Ich will die Beschwernisse und Leiden dieser 6-7 tägigen Reise bis Gibraltar nicht näher schildern. Es' ist genug, wenn ich Ihnen ,sage, daß wir in diesen Tagen nicht trocken wurden, nichts Trocknes kannten, und die ersten paar Tage im englischen Kanal und englischem Gewässer uns die KLeider buchstäblich am Leib anfroren.
Es war Nacht, als wir in die Straße von Gibraltar einfuhren. Hier lebten wir wieder auf, aber nun ging die Arbeit los, selbst nur das Schiff zu reinigen, denn wir konnten so niemanden an Bord lassen. Nur Deutschland besitzt im Ausland den guten Ruf, daß es die saubersten Schiffe mit ebensolcher Besatzung hat. So gingen die Reinigungsarbeiten fort bis nach Messina. Hier nahmen wir wieder Kohlen, und es hieß dann wieder gründlich reinigen und putzen. Am zehnten Tag unserer Abfahrt von der Heimat langten wir am Ziel unserer Reise an. Welch herrliches Bild! Die südliche Sonne lachte am Himmel. Die Bucht, in der wir einfuhren, war die "Suda Bai", der Hafen von .Canäa , Inmitten der fremden Geschwader, alle Nationen waren mit mehreren Schiffen, England sogar mit zehn beteiligt, Sobald wir Anker geworfen hatten, ging der Spektakel los, nämlich das Salutieren. Vor jeder Nation muß einzeln salutiert werden. Die Kriegsflagge von der -betroffenen Nation wird im Großtogg gehißt, dann feuert das Schiff 21 Schuß, worauf das begrüßte Schiff dasselbe genauso erwidert. Und da gab es ein paar Stunden lang ein Donnern, als ob ein Gefecht stattfände. Dann kam die Honnörmacherei der Offiziere. Nun waren wir da, aber was sollten wir da? Wir Mannschaften konnten' diese Rätsel nicht lösen. Ob die Offiziere mehr wußten?
Vir lagen hier vor Canäa neun Wochen, und die Zeit mußte doch vertrieben werden. Den Oberbefehl über sämtliche Schiffe hatte der kommandierende Admiral der Engländer, Herzog von Edinburg, der oft auf unser Schiff kam, und besonders uns Mannschaften sehr wohlwollend war. "Ich stelle euch deutsche Matrosen meinen englischen Matrosen immer als Beispiel hin", sagte er. Wir alle Nationen betrachteten uns jetzt als eine Nation und es wurden die Exerzitien und Manöver auch gemeinsam ausgeführt. Hier kam es immer darauf an, wer der erste ist, besonders beim Segelexerzieren. Und wer war da wohl der erste? Anfangs immer der Russe, wir die zweiten. Das leuchtete unserem ersten Offizier nicht ein. Er schickte unseren Bootsmann auf das russische Schiff "Dimitri Donski", um einmal heimlich zu kontrollieren. Und da stellte sich heraus, daß sie in der Takelage eine heimliche Vorrichtung hatten, die aber im Ernstfall nicht gebraucht werden konnte. Nachdem unser Offizier den russischen Offizier darauf aufmerksam gemacht hatte, daß sie hinter ihre Schliche gekommen waren, da war von jetzt an das Ding ganz anders. Wir Deutsche waren wieder die ersten beim Exerzieren! Auch Wasserrudern wurde viel veranstaltet. Es schien überhaupt, als ob wir hierhergekommen waren, um Festlichkeiten zu veranstalten. Da war zuerst der Geburtstag des Königs von England, dann der des Deutschen Kaisers und der des Kaisers von Österreich.
Früh bei der Flaggenparade., welche täglich um 8 Uhr war, ging die Feier los. Die Schiffsuhren gehen ganz genau. Auf den ersten Schlag krachten zu gleicher Zeit die Geschütze, ein jedes Schiff feuerte 21 Schüsse. Die Schiffsetappe spielte die Nationalhymne von jeder Nation nach der Reihenfolge. Und das Imposanteste ist das Hissen der Flaggen, vorn , am Schiff beim Wasserspiegel angefangen, über sämtliche Kasten bis hinten wieder zum Wasserspiegel,und so auch über quer, eine Flagge neben der anderen. Und die Hunderte von Flaggen sind in wenigen Sekunden gehisst, sodaß ein Zuschauer an Land, der erst einige Augenblicke die Augen abwendet, unbedingt glauben- muß, diese Flaggenpracht wäre mit einem mal hergezaubert.
Etwas muß ich noch erwähnen: Es war ein Samstag vor Palmsonntag, da wurde mit einemmal gepfiffen und gemeldet: "Die Katholiken Backbord Achterdeck antreten". Wir waren begierig, was wohl kommen würde. Der erste Offizier machte uns nun bekannt, daß wir vom österreichischen Admiral eingeladen seien, unsere Osterpflicht zu erfüllen, Beichte und Kommunion. Und sollten wir zu diesem Zwecke morgen früh auf das österreichische Schiff "Elisabeth". Einige wollten sich drücken, aber unser erster Offizier befahl, die Namen aufzuschreiben, und daß ja keiner eine Entschuldigung vorbringen sollte. Der Offizier war Protestant. Am anderen Morgen fuhren wir dann in Paradeuniform in Booten auf das österreichische Schiff, wo wir herzlich empfangen wurden. Auch die katholischen Russen waren bereits zugegen. Im achten Zwischendeck saß der Marinegeistliche, ein Slowene, Beichte. Während wir nun beichteten, wurde die Batterie des Schiffes zur Kirche hergerichtet. Wir gingen dann zur Hl.Kommunion und dann der Gottesdienst. Erst Predigt in deutscher, und dann in russischer Sprache. Anschließend feierliche Messe, Ein schöner Altar war aufgerichtet, zwei Matrosen ministrierten und zwei standen mit aufgepflanztem Entermesser zu beiden Seiten des Altars Posten. Ein Hornist stand in der Nähe des Altars. Anstatt bei der Hl. Handlung das Zeichen mit der Schelle zu geben, hatte dieser ein Hornsignal zu blasen, dieses wurde durch einen Hornisten auf dem Oberdeck repetiert, und dieses Signal wiederholten auch die übrigen österreichischen und italienischen Schiffe. Nach dem Gottesdienst durften wir uns noch mit den österreichischen und russischen Matrosen eine Stunde unterhalten, wo wir gegenseitig uns unsere Leiden und Freuden erzählten. Wir besprachen noch, wie wir ein schönes Ostern miteinander feiern wollten. Aber dieses schöne Ostern sollte nicht kommen.
Am Karsamstag konnten wir unter den Schiffen eine ungewöhnliche Bewegung bemerken. Erwähnen muß ich noch, daß wir den russischen Schiffen kein allzu großes Vertrauen schenkten. Und richtig, in einer schönen Nacht waren sie spurlos verschwunden. Am Karsamstag kam mit einem Male das Kommando: "Anker lichten, fertig zur Abfahrt" . Ein Schimpfen und Murren ging los. Jedesmal wird es so eingerichtet, daß man die Feiertage in See ist, hieß es. Ganz langsam fuhren wir anderen Tages vor Piräus, dem Hafen von Athen. Jetzt wurde das Schiff gefechtsklar gemacht - die Stangen wurden gesteißt, das heißt, der Mast verkürzt, die Kanonen schußfertig gemacht, Munition ausgeteilt. "Alle Mann antreten", hieß es. "Alle Mann achteraus" , das ist das Kommando für wichtige Befehle. Der Kommandant hielt eine Ansprache. "Mit dem heutigen Tag ist über Griechenland die Blockade, das ist die Belagerung, erklärt. Und es kann jede Stunde zum Angriff kommen. Ich hoffe, daß ihr eure Schuldigkeit tut. Wegtreten."
Nun wurde ins Zwischendeck gestürmt, was ein jeder Liebes und Teures hatte, zu sich gesteckt, die Waffen kamen nicht mehr vom Leibe. Nur ein Viertel der Mannschaft durfte nachts in die Hängematte, das Gewehr und Geschützmunition .zur Seite, zum Schlafen. Die übrige Manschaft mußte wachend auf ihren Posten oder bei den Geschützen bleiben. Ich hatte es dabei noch gut. Ich war Revolverkanonenschütze, deren Bedienung aus drei Mann besteht. Unser Geschütz befand sich ganz vorne auf dem Oberdeck.. Wir besorgten uns ein kleines Segel, und da krochen immer zwei Mann hinein und. einer wachte. Tagsüber war immer jedes Schiff allein. Auf den höchsten Bergen standen englische Ausguckposten. Des Nachts zogen sich die Schiffe näher zusammen. Die griechischen Schiffe und auch einige französische Schiffe lagen versteckt im Hafen.
Unsere Hauptaufgabe war nun, alle mit griechischer Flagge segelnden Schiffe und Fahrzeuge zu attackieren. Das Oberkommando über die Flotte hatte der englische Admiral Herzog von Edinburg. Wenn wir uns nicht von den Engländern beobachtet sahen, hatten wir kein großes Augenmerk auf die griechischen Schiffe, wenn sie uns nicht gerade sozusagen in die Hände liefen. Das Konfiszieren der Schiffe geschah in der Weise, daß für das Schiff das Signal "Halt" gegeben wurde, darauf fuhren 10 Mann im Boot zu dem Schiffe. Die Besatzung des griechischen Schiffes mußte unter Deck in ihre Kajüte und wurde dann das Schiff in Schlepptau genommen und nach einer Bucht gebracht. Wir hatten so nach und nach 30 Schiffe genommen. Ein englisches Schiff machte den Gefängniswärter, indem es sich quer vor die Bucht legte, in der die Schiffe eingesperrt waren. Die Blockade dauerte 6 Wochen, eine langweilige Zeit. Am langweiligsten aber schien sie den Engländern zu werden, denn diese fuhren manchmal dicht an den Hafen und gaben blinde Schüsse ab, aber es regte sich niemand drinnen.
Schön war es auch, als eines Tages ein griechisches Bundboot, das ist ein Boot, das Lebensmittel zu verkaufen hat, auf uns zukam und auf Befragen erklärte, es wolle uns Lebensmittel verkaufen, also wir sollten die Griechen
aushungern lassen, und derweil waren wir die Hungrigen.
Dreimal während der Blockade war den Griechen eine Frist gesetzt, um die Vorschläge der Mächte anzunehmen, und immer noch wollten sie nicht nachgeben. „Griechenlands Söhne werden kämpfen wie die Löwen“, lautete eine Antwort nach Berlin.
Nun war aber doch der Endtermin gekommen. Eines Abends zog sich die Flotte dicht vor Piräus zusammen. Von jedem Schiff wurde eine Anzahl Leute mit Waffen und Munition an Land geschickt zur Bewachung der Konsul- und Gesandtschaftsgebäude.
Nachts um 12 Uhr sollte es sich entscheiden. Als Signal, dass die Griechen nachgeben, sollte eine Rakete aufsteigen. Sei dies nicht der Fall, so sollten Piräus und Athen bombardiert werden. Mit Spannung erwarteten wir, bei den Geschützen stehend, die zwölfte Stunde.
Unser Kapitän sagte immer; „Wie schade, diese herrliche Stadt zusammenzuschießen.“ Doch es sollte nicht soweit kommen. Punkt 12 Uhr stieg die Rakete empor, die Blockade war zu Ende. Unsere abgeschickte Mannschaft kam zugleich mit dem deutschen Gesandten zurück an Bord. Der Gesandte hatte den Auftrag, sofort nach Berlin zu reisen. Wir brachten denselben nach Smirna. Hier blieben wir 2 Tage und fuhren dann wieder zurück nach Piräus. Hier zeigte es sich, dass mehrere französische Schiffe während der Blockade in dem versteckten Hafen von Piräus waren, auch der Russe wurde wieder sichtbar.
Jetzt wurden die gefangenen griechischen Schiffe freigelassen. Wie wenn man einen Taubenschlag öffnet, so wimmelten die Fahrzeuge aus ihrem Gefängnis, stolz ihre prächtige Flagge entfaltend, die mit der bayerischen Ähnlichkeit hat, blau-weiß-gestreift mit grünem Wappen.
Erläuterungen:
1. Seereise
Ariadne: s. Kaiserliche Marine - Schiffe - Ariadne 1 Kreuzerkorvette
Informationen über den Untergang des „Großen Kurfürsten“
Madeira - Insel im Atlantischen Ozean 700 km von der Küste Marokkos entfernt,
Funchal - Hauptstadt der portugiesischen Insel (und Region) Madeira
„Klar Schiff“ machen - (das Schiff) aufräumen und sauber machen:
Ordre - Befehl
2. Seereise:
Canea - Vermutlich Chania im Nordwesten der Insel Kreta
Smirna - Heutiger Name ist Izmir, Türkei.
achteraus – hinten oder hinter dem Schiff, Beim Befehl: Alle Mann achteraus! musste sich die Besatzung auf dem Achterdeck versammeln, das sie nur dienstlich betreten durfte.