wie sie sich in Berichten des „Hammelburger Journal“ widerspiegelt
Das Wetter spielt verrückt
Das Jahr hatte mit unglaublicher Kälte eingesetzt. Über den vollkommen mit Eis bedeckten Main bei Lohr konnten Passanten gefahrlos spazieren, die Sinn war gar „bis zum Grunde“ gefroren. Im Aschaffenburger Raum folgerte man aus dem schlechten Zustand der Futterpflanzen die wenig tröstliche Aussicht auf einen großen Futtermangel im kommenden Frühjahr. „Da heißt es jetzt schon ordentlich einkaufen“, riet das Journal, „um die Thiere über den Winter zu bringen.“ Nur dort, wo eine geschlossene Schneedecke die Saaten schützte, konnte man weiterhin auf eine gute Ernte hoffen. Dennoch dauerte es noch ein paar Wochen, bis die steigende Nachfrage nach Heu den Preis in die Höhe trieb.
In Hammelburg stieg die seit Wochen anhaltende Kälte weiter. „Die Erde scheint ihre Stellung im Weltenraume verändert zu haben“, schrieb das Blatt. „Christiansund im hohen Norden meldet 4° Wärme und am Maine herrschen 33° Kälte.“ Vielen Bauern erfroren die Kartoffeln im Keller. Die Verfütterung gefrorener Kartoffeln und Rüben aber ließ das Vieh krank werden.
Mitte Februar setzte frühlingshaftes Wetter ein. Aber der Landmann traute dem Wetter-Frieden nicht. Alte Bauernregeln drohten mit Kälte zu Ostern. Dann setzte freundliches Wetter ein. Die allgemeine Zuversicht, die der wohltuend warme Sonnenschein allenthalben geweckt hatte, erhielt ihren amtlichen Segen durch den „offiziellen Saatenstandsbericht“ vom 15. März: „Die Wintersaaten berechtigen zu guten Hoffnungen, Klee und Futterpflanzen versprechen guten Ertrag“. Der Regen blieb weiter aus.
Noch Anfang April freuten sich die Winzer und Bauern über die trockenen Tage; sie verhinderten Schaden durch den gefürchteten Nachtfrost. Die Beobachtung, „daß dieses Wetter dem Wachstum an Fütterung und Saaten bisher Stillstand brachte“, ist noch nicht Ausdruck einer Sorge, sondern Feststellung einer Gegebenheit, die, wie man hoffte, vom ersten Frühjahrsregen weggewischt würde. Das war am 15. April.
Fünf Tage später kamen den Landwirten die ersten Bedenken. Noch möchte der Journalist das Gerücht nicht mittragen, „die anhaltende trockene und rauhe Witterung mindere die Aussichten zur neuen Ernte“.
Eine Woche später ist die Gefährdung der Landwirtschaft nicht länger zu leugnen. „Für die ganze Vegetation ist baldiger ausgiebiger Regen nothwendig“. Die Frühjahrssaat geht nur sehr langsam auf. In der Rhön fängt der Roggen an, „in Folge der trockenen Witterung ein sehr spitzes Aussehen zu bekommen. Sehr zu leiden haben die Kleefelder.“
Am 25. April beschlossen in Hammelburg die „vereinigten Wiesen-Wässerungs-Genossenschafts-Ausschüsse, die Wässerung der Saalewiesen wegen anhaltender Dürre einzusetzen.“
Sorgen und Zuversicht wechseln sich ab
Unauffällig und noch kaum spürbar reagierte der Getreidemarkt auf die bittere Prognose, daß immer noch keine Aussicht besteht auf den für die Saaten dringend notwendigen Regen: „Die Preise für Brodfrüchte und Hafer gingen etwas in die Höhe“. Auf den Schweinemarkt hat die Trockenheit noch keinen Einfluß: „Auch die Landleute der Umgebung kauften viel, weil es noch viele Kartoffeln zum Füttern gibt“. Ein Zwang zum Verkauf bestand deshalb nicht.
In München wird die Gefahr, zu diesem Zeitpunkt durchaus zurecht, heruntergespielt: „Über die Saaten hört man zwar klagen, die meisten Berichte lauten jedoch dahin, daß, wenn es jetzt noch regnet, der Schaden nicht groß sein dürfte.“ Als wollte der Himmel diese Zuversicht belohnen, fällt um München bei Südwind warmer Regen. Gleichzeitig vermeldet der Chronist: „an vielen Orten im Vorspessart den langersehnten Regen in ausgiebigster Weise.“
Ängste breiten sich aus
Nicht so in unserer engeren Heimat und in der Oberpfalz: „Hier lechzt alles nach Regen; der Staub ist geradezu unerträglich“. Der Wassermangel läßt den Feuerwehren kaum noch Chancen, der aufgrund der allgemeinen Trockenheit häufigeren Brände Herr zu werden. Im April meldet das Journal innerhalb von 14 Tagen im Bezirk Hammelburg fünf Brände, davon drei Waldbrände. Die Hoffnung auf Besserung beginnt der Angst Platz zu machen. Man erinnert sich der Prophezeiung „des berühmten deutschen Astronomen Klinkerfues „(1827 - 84), daß wir mit dem Jahr 1893 in eine heiße und trockene Periode von 18 Jahren treten.“ Die Erinnerung an ähnliche Trockenjahre wird wach, wie das von 1822. Damals war vom Februar bis zum 13. Juli kein Niederschlag gefallen: „Es verdorrten alle Gräschen. Das Stroh war gelbweiß, wie gebleicht.“ In Gegenden, in denen spät gesät worden war, ernteten die Bauern nichts; die Saat war nicht aufgegangen. Man erkannte die Parallele zur Gegenwart: „Allerdings keine glänzenden Aussichten für die Landwirtschaft.“
Dem Hungerjahr 1817 in Bayern war ebenfalls eine große Trockenheit vorausgegangen. Folge war, „daß Wiesen und Äcker einer Sandwüste glichen, daß die Bäume lautlos ständig austrockneten. Das Vieh brüllte vor Hunger in den Ställen . . .“
Der Mai brachte keine Wetteränderung. Nur an den Rändern Unterfrankens sorgten hin und wieder Gewitter für kurze Erleichterung. Dem Maingebiet und der Rhön fehlten selbst sie. „Gras und Klee schwinden immer mehr, die Wiesen sehen wie abgesengt aus. Das einzig Schöne in den Fluren sind die Weinberge, welche sich ausnehmend kräftig und rasch entwickeln.“ Für die Bauern hier war das ein schwacher Trost. Vom Weinbau allein konnten sie nicht leben. Viehmast war einträglicher.
Dass die Natur unansehnlich geworden war beklagten auch die Kurgäste von Bad Kissingen: „ . . . da, wo sonst im Walde das Auge auf grünen saftigen Auen ruhte, da hat es nur dürre gelbe Flächen zu sehen . . .“