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Anläßlich der Außenrenovierung der Stadtpfarrkirche St. Johannes 1990 wurde in der Turmkugel und im Wetterhahn Urkunden gefunden.
Das katholische Pfarramt hat im Jahr 1990 dazu eine kleine Broschüre herausgegeben, die wir hier mit freundlicher Genehmigung in Auszügen veröffentlichen:
Der damalige Pfarrer Josef Treutlein schrieb dazu im Vorwort:
„Es war ein spannender Moment, als in Gegenwart des Stadtbauamtes am 5. November die Kugel geöffnet wurde. Wir fanden in einer länglichen Blechdose ein Schreiben aus dem Jahr 1855. (…)
Es ist ein eigenartiges, bewegendes Gefühl - wie wenn man einen Brief liest, der schon längst vor unserer Geburt an uns abgeschickt wurde, ein Brief von Toten an uns Lebende, ein Brief aus der Pfarrgemeinde von damals an die Pfarrgemeinde von heute ...
Mit einem Mal wird man zurückversetzt. Man weiß sich hineingestellt in den Strom der Geschichte und fühlt sich über die Jahrhunderte hinweg verbunden mit allen, die je in unserer Pfarrkirche gebetet und an ihr gebaut haben. Und unwillkürlich fühlt man
Mit einem Mal wird man zurückversetzt. Man weiß sich hineingestellt in den Strom der Geschichte und fühlt sich über die Jahrhunderte hinweg verbunden mit allen, die je in unserer Pfarrkirche gebetet und an ihr gebaut haben. Und unwillkürlich fühlt man
die Verantwortung, die jetzt auf unserer Generation ruht ...“
Abschrift der Urkunde des Kirchturmes St. Johannes, Hammelburg
Liebe Enkel und späte Nachkommen!
Wenn Ihr diese unsere Schrift zu Gesicht erhaltet, und leset, was wir in schwerer Zeit als Nachricht für Euch niedergeschrieben haben, so empfanget zuvor den herzlichsten Gruß von uns Euren Voraeltern und Vorfahren.
Unsere liebe Vaterstadt Hammelburg wurde am 25 April 1854 (Ein Tausend acht hundert vier und fünfzig, am fünf und zwanzigsten April) am Tage des hl. Markus, von einem schrecklichen Unglücke heimgesucht.
Die Bittprocessionen gingen von hier, und von der Umgegend auf Kloster Altstadt, verrichteten dort ihre Andacht, und kehrten alle in Frieden wieder zurück. Sämtliche Processionen waren in ihre Heimath zurück, oder waren nahe am orte, da brach hier Feuer aus. Es entstand durch Nachlässigkeit in der Scheuer des Mitbürgers Dr. Kaiser in der Nähe des Thürmersthurmes, dessen Fachwerk obenselbst abbrannte und die Sturmglocke auf demselben schmolz, um 11 Uhr Vormittags: dieses Feuer in Mitte der Stadt ausgekommen griff mit solcher Heftigkeit um sich, daß in Zeit von, zwei Stunden drei Viertheile der Stadt in Flamen standen, denn es wehte vom frühen Morgen an, und namentlich zur Stunde des Unglücks, ein so furchtbar schrecklicher Sturmwind, dass es unmöglich war, den Flamen Einhalt zu thun, das Feuer brannte gar nicht in die Höhe, sondern wälzte sich, vom Sturmwinde niedergedrückt fast immer im Kreise herum, und griff mit einer solchen Schnelligkeit um sich, daß man glauben sollte, die Flamme würde von unsichtbarer Hand von einem Gebäude zum andern, von einem Ende der Stadt zum andern geschleudert.
Die Bürger und Bewohner der Stadt beeilten sich alle mit rastlosem Eifer, des Feuers Herr zu werden, und die Flame zu unterdrücken; aber alle mußten alsbald auf ihre eigne Rettung denken, mußten die Feuerspritzen und Löschmaschinen verlassen und dem Feuer selbst überlassen, um nur ihr eigenes Leben zu retten; denn die Stadt war im Zeitraume von zwei Stunden ein wahres Feuermeer. Es brannten nieder bis auf den Grund alle Häuser und Gebäude am Marktplatze, die Niedergasse bis an das Forstamt, Obere Gasse, ein Theil der Judengasse, Häfnergasse Bad- und Betgasse, Löwersgasse, Kirchgasse, Weihersgasse, alte Postgasse, Neubaugasse, Spitalgäßchen, theilweise die alte Amtsgasse.
Auf den großen freien Marktplatz hatten viele der näheren Bewohner ihre beweglichen Effecte gebracht, sie mussten alles im Stiche lassen, denn die Flamme schlug auch hieher und verbrannte, was man zu retten gesucht hatte; selbst die Rohre im Pumpbrunnen am Markte verbrannten aus dem Wasser heraus. Wunderbarer Weise wurde das schöne Bild des hl. Johannes, das den Marktplatz ziert, von der Flame nicht berührt, nicht einmal geschwärzt und die Bäumchen, die dasselbe umgaben, nicht verletzt. Das schöne Landgerichtsgebäude, das Schloss nämlich, die ehemalige Sommerresidenz der Fürstäbte von Fulda, das Rathhaus, die Zierde der Stadt und des Marktes brannten nieder, und alle Acten, Bücher und Papiere verbrannten mit, es blieben nur die vier Mauern stehen. Das schöne Spitalgebäude samt Kirche wurde ein Raub der Flamen, und drei Pfründner fanden im Feuer ihren Tod. Während jedoch das ganze Spital in Flammen aufging, und alles Holz, selbst die Balken aus den Mauern herausbrannten blieb ein im Spitale hängendes Crucifix unversehrt.