Hammelburger-Album

Beitragsseiten

3.5 Kriegsgefahren für das Leben der Schüler

Dass der letzte Krieg auch vor der Zivilbevölkerung nicht halt gemacht hat, kann man an den vielen Luftschutzübungen erkennen. Im September 1943 wird vor dem


„Abwurf neuartiger Gegenstände aus Flugzeugen gewarnt.“ (II, 117)


Dass auch Kinder infolge ihrer Neugier und Sorglosigkeit ein tragisches Schicksal erleiden mussten, darauf weisen folgende Mitteilungen hin:


„Beim letzten Luftangriff auf Berlin stürzte in der Nacht am 27.1.[1944] ein feindlicher Bomber brennend in Sulzthal ab. Ein Knabe trat auf ein Phosphorfläschchen, die von dem abgestürzten Flugzeug umherlagen und erlitt solche Verbrennungen an Füßen und Händen, daß er in das Krankenhaus eingeliefert werden mußte. Dieser Vorfall gibt Veranlassung, daß die Schüler erneut auf beiliegende Verfügung aufmerksam gemacht werden müssen.“ (II, 125)

Der Schüler starb an den Folgen.


Oktober oder November 1943:

„Gestern verunglückte der Schüler Paul von hier sehr schwer dadurch, dass er auf des Zündhütchen einer Patrone des amerikanischen Geschoßes schlug. Nach telephonischer Mitteilung v. Landratsamt dürfen Schüler mit solchen gefährlichen Dingen nicht spielen u. müssen dies Geschoße u. Teile davon sofort abliefern. Jeder, der im Besitze von Patronen ist, macht sich strafbar.“ (II, 120)


23.3.1944:

„Gestern wurde der Schüler Kessler Adam der 5. Kl. von einer Handgranate zerrissen.

Es ist dies in Hammelburg der 3. Fall, daß Schüler, die mit Munition, Handgranaten u. Schußwaffen gespielt haben, auf solch leichtsinnige Weise ihr Leben eingebüßt haben. Alle Schüler wollen nochmals eindringlichst darüber belehrt werden, dass das Spielen mit Munition u. derartigen Sprengkörpern lebensgefährlich ist.“  (II, 127)


18.4.1944:

„In letzter Zeit sind 3 Schüler in Hammelburg und 2 Schüler im Landkreis Karlstadt durch spielen mit Munition u. Schußwaffen verletzt oder getötet worden. Sämtliche Schüler u Schülerinnen sind am 1. Schultag erneut über die Gefahren zu belehren u. ihnen strengste Verhaltensregeln einzuschärfen.“ (II, 128)

Man musste sich vor den feindlichen Fliegern schützen, so gut es ging, davon künden die Luftschutzmaßnahmen, aber auch diese Mitteilung vom Februar/März 1945:


„Die Schüler sollen über Schutz d. Schüler vor Splitterbomben, Bordwaffenbeschuß durch Tiefflieger belehrt werden.“ (II, 146)


Tatsächlich schossen Tiefflieger auf harmlose Zivilpersonen. Das war nun gegen das Kriegsrecht und eigentlich auch ebenso wenig zu entschuldigen wie deutsche Gräueltaten in den besetzten Gebieten. Einerlei, man wollte so den Durchhaltewillen in der Bevölkerung brechen.


Es war aber nicht hartnäckiger Durchhaltewille der Bevölkerung, der dem Krieg kein Ende machte. Vielmehr war es die Staatsführung, die mit ihren Helfern in Partei, SS u. dgl. den Durchhaltewillen bis zum „Endsieg“ propagierte und vor brutaler Verfolgung kriegsmüder Volksgenossen nicht zurückscheute, getreu der Parole „Wir kämpfen bis zum letzten Mann und bis zur letzten Patrone.“


Für die Bevölkerung ging aber noch eine Gefahr gänzlich anderer Art von den Flugzeugen aus:


24.7.1944: „3. Flugblätter, sonstige Schriften, Lebensmittelmarken. Die Schüler sollen nochmals auf beiliegende Anordnung der Reichsregierung aufmerksam gemacht werden u. darüber belehrt werden, daß jeder, der im Besitze eine Flugblattes oder von Fleischmarken ist, die feindliche Flugzeuge abgeworfen haben, schwer gestraft werden kann.“ (II,


Ein Flugblatt im Ruhrgebiet beispielsweise hatte den Titel „Heul Hitler“ statt „Heil Hitler", und es folgte der Aufruf zum Widerstand. Dass die Staatsführung keine Flugblätter mit feindlicher Propaganda duldete und ihren Besitz hart bestrafte, ist zwar verständlich. Was hat es aber mit den Fleischmarken auf sich? Die Lebensmittel waren in dieser Mangelgesellschaft streng rationiert, besonders das Fleisch. Jeder Einwohner bekam monatlich eine Lebensmittelkarte mit heraustrennbaren Marken für den Einkauf.


Anmerkung: Im September 1943 warfen alliierte Flugzeuge im Lahn-Kreis zum ersten Male Lebensmittelkarten ab.


„Fett, Fleisch, Butter, Milch, Käse, Zucker und Marmelade waren ab dem 1. September 1939 nur noch gegen Lebensmittelkarten erhältlich; Brot und Eier folgten ab dem 25. September…Ein "Normalverbraucher" erhielt in den ersten beiden Kriegsjahren pro Woche u.a. 2.250 Gramm Brot, 500 Gramm Fleisch und rund 270 Gramm Fett.  seit dem kritischen Versorgungsjahr 1942 kam es zu einer noch strengeren Rationierung….Zur Versorgung der deutschen Bevölkerung wurden die besetzten Gebiete rücksichtslos ausgebeutet und der "Tod durch Verhungern" in Osteuropa gezielt herbeigeführt.“ (google)


Die abgeworfenen Fleischmarken sollten Unordnung in die Lebensmittelversorgung bringen. Deshalb war ihr Besitz verboten. In einem der beiden Bekanntmachungsbücher befand sich ein interessanter Fund:


50 nagelneue blaue Fleischmarken zu je 50 g, gültig bis 6.2.44.  

2 ½ kg Fleisch waren eine ungeheure Menge. Soviel gab es in den ersten beiden Kriegsjahren in fünf Wochen für eine Person. 1944 musste es noch viel länger reichen. So eine Menge Marken hat sich keiner aufgehoben, wenn er legal an sie gekommen war. Der Verdacht, dass es sich um abgeworfene Fleischmarken handelte, liegt nahe. So linientreu war der Führer dieses Buches oder irgendein anderer Schulbediensteter nun aber auch wieder nicht, dass er die gefälschten, aber dennoch wertvollen Marken abgab.

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.